Die Franklin-Expedition im Jahre 1845 hatte das Ziel, die berühmt-berüchtigte nordamerikanische Nordwest-Passage zwischen Atlantik und Pazifik zu erforschen. Wie einige Expeditionen davor und danach scheiterte der Versuch: Eine schiffbare Verbindung am Nordrand Kanadas existiert nicht, tückisches Packeis lässt auch moderne Schiffe an den extremen Bedingungen scheitern.
Dan Simmons, mehrfacher Gewinner des Hugo-, des Locust- und des Bram Stoker Awards, hat mit "Terror" diese Expedition und ihr spektakuläres Scheitern in einen beeindruckend spannenden historischen Roman verpackt, der wenig mit dem Bildungsbürgertum dieses oft langweiligen Genres zu tun hat: "Terror" ist ein Kammerspiel, ein Psychogramm seiner geschickt differenzierten Hauptfiguren, ein historisch akkurates, aber dennoch atemberaubend spannendes Stück, jawohl, Horrorliteratur, das an einigen Stellen bewusst an den großen literarischen Innovator dieser Zeit, Edgar Allen Poe, anschließt.
Gerahmt von handfesten historischen Fakten entwirft Simmons in den weißen Flecken unseres Wissens vom tatsächlichen Schicksal der Expedition ein episches Gemälde des Scheiterns, nicht nur der Expedition selbst, sondern auch der Überheblichkeit des westlichen Forscherdrangs im 19. Jahrhundert an sich. Die Inuit, die seit Jahrtausenden das Überlebenin der lebensfeindlichen Welt des Polarmeeres perfektioniert haben, sind den hochmütigen Forschern der britischen Admiralität nur Wilde, und dennoch fallen die Europäer nicht nur dem Packeis zum Opfer, das die Schiffe Erebus und Terror für drei Jahre im Eis festhält, sondern auch dem Skorbut, dem komplizierten Klassengefälle zwischen Offizieren und Seemännern und nicht zuletzt dem "Ding auf dem Eis", einem erschreckenden, gigantischen polaren Raubtier, das direkt der Mythologie der Ureinwohner zu entstammen scheint.
"Terror" ist spannend bis zur letzten Seite - ein Kunststück angesichts der fatalistischen Ausgangssituation, das Simmons durch grandiose Figuren und intensive Schilderungen mit bewundernswerter Mühelosigkeit meistert. Es sind - motivlich und faktisch bedingt - nur wenige Frauen zu finden in diesem Buch, doch die militärische Männergesellschaft an Bord der Schiffe wird in ihrer beengten Künstlichkeit niemals zum Abenteuerklischee verklärt, sondern, historisch akkurat, als logische Konsequenz ihrer Zeit und ihrer Gesellschaft geschildert.
Entwarnung: Simmons schreibt nicht für ein intellektuelles Historikerpublikum, bewältigt aber einen nur selten gelingenden Spagat: "Terror" ist schlicht extrem spannende Unterhaltungsliteratur, ohne ins Seichte abzugleiten. Empfehlung!