Die Luft steht still in der alten Wohnung, hoch ragen die leeren Wände. Staubige Gedanken räkeln sich langsam wie in zähflüssigem Honig in den einzelnen Sonnenstrahlen, die durch die zerschlissenen Stoffvorhänge in den Raum fallen. Nur das leise Rascheln von Papier, aus dem hintersten Zimmer kommend, verrät Stein, dass er gefunden hat, wonach er suchte. Langsam, vorsichtig stößt er die Flügeltür auf, ein Geruch von Mottenkugeln, Dachbodenstaub und, natürlich, Nelken verbeißt sich in Steins Nase, dann in seinem Rachen und erfüllt seine Lungen mit einem betäubendem Brennen.
Das Regal erstreckt sich über die ganze Wand und ragt drei Meter hoch auf, die meisten der Bücher sind noch da, doch mehrere Lücken blecken sich wie die ausgefallenen Zähne eines mehrreihigen Rachens. Das Rascheln kommt aus der Ecke des Raumes, hoch oben, auf dem obersten Rahmen des Regals unter der leicht geschwärzten Decke, doch es verstummt, als Stein sich räuspert und endgültig den Raum betritt. Die schwarzen Augen des Bibliothekars, die wie winzige dunkle Murmeln unmittelbar nebeneinanderliegen, mustern Stein mit undeutbarer Konzentration, während einer der vier dürren, mehrfach gebrochenen und in schmerzhaft anzusehenden Winkeln zusammengewachsenen Arme in der Bewegung innehält, die eben herausgerissenen Seite des Buches auf halbem Wege zwischen dem Regal und dem reglos geöffneten Mund mit den winzigen, nadeldünnen Zähnen.
- Guten Appetit, sagt Stein und blickt sich um. Tief unter dem achtbeinigen Bibliothekar türmt sich ein kleiner Haufen Papierfetzen auf einem alten Polstersessel. - Du erlaubst? Ohne die Antwort abzuwarten rückt Stein das Möbel vor das aufragende Regal, streift die intensiv nach Nelken riechenden Überreste des Mahls zu Boden und nimmt Platz, den Kopf zurückgelegt, um den hoch über ihm thronenden Bibliothekar zu mustern, der langsam sein Mahl fortsetzt. Mit einer komplizierten Bewegung verkeilen sich vier Beine, in schwarze, fadenscheinige Hosen gehüllt, zwischen Decke, Wand und Regal, während drei der untätigen Arme locker herabhängen. Leise rieseln Papierfetzen zu Boden, bis Stille einkehrt.
Die Stimme des Bibliothekars ist hoch und kratzig. - Der Zweite Geheime Sarkast des Unsichtbaren Hofes, sieh an. Was verschafft mir die unerwartete Ehre, Stein?
Stein lächelt. - Wie überaus liebenswürdig. Ich erinnere mich an unser letztes Treffen, das etwas an Zivilisiertheit zu wünschen ließ ... Wie geht es dem Arm?- Der Bibliothekar zischt und verschränkt seine vier Arme vor seiner schmalen Brust. - Genug geplaudert, Stein.
-Nun gut. Stein steht auf. - Wir haben Wender gefunden. Weiterlesen »