In unregelmäßigen Abständen scheint es nötig, die Genreschubladen zu erweitern; im Falle der neuernannten Schule des "New Weird" waren es die Genres Horror, Science-Fiction und Fantasy, die im Endeffekt einer Handvoll Autoren, angeführt vom erfolgreichen Briten China Mieville, zu eng geworden waren. Ganz wie es sich fürs 21. Jahrhundert gehört, war es eine Internetdiskussion samt kreativem Schneeball-Schreibprojekt, das die Betitelung und die vorliegende Anthologie hervorgebracht hat.
Was ist nun New Weird? Im O-Ton:
"a type of urban, secondary-world fiction that subverts the romanticized ideas about place found in traditional fantasy, largely by choosing realistic, complex real-world models as the jumping off point for creation of settings that may combine elements of both science fiction and fantasy."
Unter diesem Dach versammeln sich zugegebenermaßen unterschiedliche Ansätze, denen aber allen ein eigener Umgang mit der Realität gemeinsam ist. Hier bricht nicht das Unheimliche in die Realität ein, sondern vielmehr ist die Realität an sich unheimlich, geheimnisvoll, verdreht oder kafkaesk verrätselt und zugleich realistisch und komplex. Das 19. Jahrhundert, mit seinen industriellen Revolutionen, sozialen Brüchen und wankenden Wahrheiten, ist offensichtlich ein großer Ideenlieferant, der neben den angegrauten Modeströmungen des Steampunk nun auch im New Weird verwertet wird.
"New Weird" ist somit zuallererst ein Verkaufslabel; die in der Anthologie versammelten Beiträge zeigen aber auch, dass sich die Autoren ganz zu Recht nicht mehr den leider von schlechter Literatur überschwemmten Popcorn-Genres SF und Fantasy zuordnen lassen wollen. Denn literarisch liefern die allermeisten der versammelten Autoren ganz ungeachtet der mehr oder minder spekulativen Settings wunderbar verstörende, teils surrealistische Miniaturen ab, die tatsächlich ihresgleichen suchen. Weiterlesen
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