Wahl der Qual 2
Dieser Tage findet die größte temporäre Kunstausstellung des Landes statt, wo uns bekannte, aber auch unbekannte Street-Artists, allesamt unter Pseudonymen, ihre jüngsten Plakatkunstwerke zur Beurteilung vorlegen. Wie Sie wissen, unterstützen Sie als brave Steuerzahler diese umfassende dekorative Gestaltung des öffentlichen Raumes ja netterweise mit etwa 60 Millionen mit – ja, ein Volk, begnadet für das Schöne!
Das erste Exponat trägt dem Titel „Sphinx in Rot“, das der bekannte Künstler mit dem Pseudonym „SPÖ“ gestaltet hat. Ein völlig neues Sujet, offenbar hat der Künstler ein neues Modell, und sehen Sie nur die Meisterschaft, wie mit diesem diffusen Lächeln das Erbe der „Mona Lisa“ Leonardos beschworen wird! Ist es ein geheimnisvolles Lachen, ist es ein abfälliges Schmunzeln, ist es ein verzwicktes Bäuerchen? – Der Betrachter weiß es nicht. Und auch in der musischen Vermählung von Bild und Wort hat sich der Künstler aufs Wesentliche beschränkt: „Sozial. Entschlossen. Zuverlässig“ – Wunderbar, die Humanistinnen unter Ihnen werden sofort die Anklänge ans Absurde bei Beckett, aber auch an Jandl und den Dadaismus entdeckt haben. Man muss voll Bewunderung anerkennen, dass hier die gesamte Kunstform wunderbar als reine Hülle thematisiert wird, eine Abstraktion auf die reine Form, die dennoch gegenständlich bleibt. Großartig.
Direkt nebenan sehen Sie das diesjährige Hauptexponate des großen traditionellen künstlerischen Widersachers „ÖVP“ mit dem vieldeutigen Titel „Hoffentlich reicht’s“, und hier zeigen sich sofort die Unterschiede: Das verkniffene Lächeln und die ungelenke Bewegtheit des ebenfalls neuen Modells des Künstlers deuten auf innere Konflikte und Abgründe hin, oder hier, der leicht wie zum kleinlauten Widerwort geöffnet, von grauen Pelzfransen umfasste Mund und die zaudernde Geste des Dargestellten weisen wie als Gegenprogramm zur „roten Sphinx“ auf die vermeintliche inhaltliche Fülle hin, Sie sehen, hier ist zwischen den Künstlern ein programmatisches Wetteifern zwischen Idee der Form und Idee der Fülle im Gange, doch beachten Sie auch, wie ironisch „ÖVP“ es hier versteht, diese Idee der Fülle durch den Text zu kontrastieren, der sogar konsequent auf die Verwendung von Personalpronomina verzichtet: „Hält Wort.“, „Gibt Sicherheit.“ – In der Textebene wird durch das Weglassen des Fürworts, durch das fast schamvolle Verschweigen des Namens auf subtile Art und Weise der Akt des Versprechens an sich von Vornherein als unpersönlich und abstrakt dargestellt – große Kunst, meine Damen und Herren, aber auch schwierige Kunst, die in all ihren Botschaften mehrdeutig und unentschlossen wirkt.
Auch „Alter Mann, widersprechend“ von der Künstlergruppe „Die Grünen“ greift ein psychosoziales Problem unserer Zeit auf, und so ist es programmatisch der Widerspruch, dem dieses Kunstwerk gewidmet ist: „Nicht mit mir“ – mit diesem Aufschrei der Isolation scheint der Dargestellte, seit Jahren Hauptmodell des Künstlers, einerseits seine traditionelle Randexistenz zu beklagen, andererseits erhebt er trotzig die Verweigerung gleichsam zur Parole – ein mutiges, aber letztlich melancholisches Oeuvre.
Das Werk „Immer nur lächeln“ von „FPÖ“ wiederum drängt sich dafür mit bekannt grellen Schauwerten auf: Ganz im Stil der „Bad Art“ wird hier programmatisch der Kunstsinn des Betrachters beleidigt, wird mit der billigen Ästhetik einer 80er-Jahre-Zahnpastareklame der Betrachter zuerst optisch niedergeknüppelt, um dann künstlerisch-absurd großartig mit Knittelversen vollends in seiner Weltwahrnehmung verunsichert zu werden: „Einkommen zum Auskommen“ – ästhetisch empfindsame Kritiker beschreiben die Plakate wohl säuerlich als „Aushänge zum Aufhängen“, doch täte man dem Künstler damit Unrecht, der sich schließlich – mitunter auch vor Gericht – auf die Freiheit der Kunst berufen darf, nicht nur das Schöne und Gute thematisieren zu wollen.
Beachten Sie bitte auch die kleineren Exponate – vor allem „Das Original“ von „BZÖ“, eine Arbeit zum Thema psychische Ausnahmesituationen, sowie „Dritter Frühling“ von „LIF“, in dem Frauenschicksale thematisiert werden. Und nicht vergessen: Am 28. September wird in einer großen Abstimmung der diesjährige Sieger gekürt! Und nicht traurig sein, wenn all der Kunstgenuss dann wieder aus unseren Städten und Fluren verschwindet: Die nächste Ausstellung kommt schneller, als Sie denken.
(Wahlplakete von raketa.at )
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Kommentare
alles gute ...
wünscht catch17 :) :)
haben`s ja in sich die letzten tage - ein purzeltag nach dem anderen ;)
die glückwünsche zurück
stimmt im Sep gibts da einen regen austausch ;)
auch von meiner seite : ALLES GUTE!
nochmals
alles gute an deinem ehrentag und bis später!!
er lebe hoch
zickezackezickezacke heiheihei
bis heut abend
JÖÖ MERCI
danke fürs belückwünschen, wir sehn uns eh hoffentlich alle später im 1bm. bis denne!!!
Alles Gute!
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hei
alles alles liebe und viel kraft. bis später. ich bereite alles notwendige vor, damit es dann nachher richtig schön wird!