Comics, vor 20 Jahren: Watchmen
Wenn dieser Tage alle Welt plus Oma ins Kino pilgert, um einem seltsamen Typen im hautengen schwarzen Gummianzug und seinen geschminkten Widersacher zu bewundern, führt mich das irgendwie zwangsläufig fast 20 Jahre zurück. In die Zeit, in der der Dark Knight das erste Mal zurückkehrte , besser als heute, und in der erzählerische Schritte in einem Medium getan wurden, die das Kino bis heute nur teilweise nachvollziehen kann und will.
Es war wohl etwa 1987, als ich, damals 14-jährig, beim Blättern im profil meiner Mami einen Artikel fand, der mein Interesse erweckte. Comics seien nicht mehr nur Comics, jene lange verdammte und immer belächelte "Kunstform", die keine war, sondern etwas anderes: Graphic Novels, also visuelle Romane, die mit intelligenten Themen und für Erwachsene konzipiert endlich als fast gleichberechtigte literarische Kunstform gelten könnten. Anlass des Artikels war "Watchmen", eine GraphicNovel von Alan Moore und Dave Gibbons. Ich fuhr per Zug (fast extra deshalb) nach Wien, wanderte in die Zollergasse zum führenden , weil einzigen Comicladen der Stadt, ins Comic Forum, und kaufte mir das englische Original um damals unerhört schweinisch teure 212 Ösen.Telefonisch hatte ich es Wochen zuvor extra bestellt und reserviert.
Und Watchmen ist in mancher Hinsicht noch heute eines der beeindruckendsten Bücher, das ich gelesen habe.
Es ist überflüssig, an dieser Stelle zu viel des Inhalts zu erzählen. Im Mai 2009 wird der Film zu sehen sein - bis dahin könnte man die Gelegenheit nutzen, eine der besten und stilbildenden Graphic Novels selbst zu lesen.
Jawohl, es geht hier wie in vielen anderen Glanzlichtern dieser extrem interessanten Epoche vor dem Millenium um "Superhelden", jenes pubertäre Konzept, das seit den Dreißigerjahren Bubenträume verkauft. Doch wie in Frank Millers "The Dark Knight Returns", das etwa zur selben Zeit den Mythos Batman zertrümmerte und so grandios neu errichtete, dass keine der direkt im Anschluss und später an diese WIedergeburt folgenden Verfilmungen auch nur entfernt eine ähnliche Qualität erreichen konnte (und ja, The Dark Knight 2008 ist da keine Ausnahme), ist die Folie des Superheldentums nur die Projektionsfläche, vor der andere Themen verhandelt werden.
Faschismus. Unterdrückung. Selbsthass. Verantwortung. Die prekäre Balance des Menschseins, der immer wieder neu zu verhandelnde Kompromiss zwischen Angst und Hoffnung. Anarchie. Realpolitik. Vergänglichkeit. Tod.
Zu große Worte für ein Medium mit bunten Bildern, Explosionen und Menschen in dummen Kostümen? Wer die wichtigen Graphic Novels seit den Neunzigern gelesen hat, weiß, dass hier eine Form der politischen phantastischen Literatur entstand, deren Vordenker Frank Miller, Alan Moore, Grant Morrison und Neill Gaiman, neben anderen, radikaler und freier waren, als sie es in irgendeinem anderen Medium sein hätten können.
Aus irgendwelchen Gründen habe ich in den letzten Monaten begonnen, meine alten Schätze wieder auszugraben und sie erneut zu lesen. Watchmen, die erste Begegnung mit dieser Welt, ist auch heute noch ein großartiges Buch, inhaltlich verschachtelt, intelligent erzählt und auf vielen Ebenen grandios. Vor allem spielt Alan Moore mit dem Medium derart virtuos, dass keine Verfilmung, und sei sie noch so werktreu, die Lektüre übertreffen kann.
Wer Lust hat, eine ausgewählte Lesereise in diese Welt zu unternehmen, wird hier in den kommenden Wochen meine subjektive Geschichte der Graphic Novel der Neunzigerjahre finden. Watchmen ist um mir heute günstig erscheinende 15 Mücken überall zu haben . Kaufempfehlung - jetzt, bevor's in einem Jahr alle im Kino sehen.
Für bisher Comic-Abstinente, die anlässlich des neuen Batman auf die dumpfe Idee gekommen sind, dass da irgendwie, irgendwo noch mehr schlummert:Ihr habt ja so recht. Ich beneide euch um die Welt, die ihr noch zu entdecken habt.
Jawohl, ich hab noch Schätze in petto. Stay tuned!
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