Empfehlung Politik
Peter Scholl-Latour: Weltmacht im Treibsand. Ullstein Tb 2005
An dieser Stelle wurde vor kurzem beklagt, dass, angesichts der gewaltigen Komplexität und Herausforderung aktueller politischer Entwicklungen im Nahen Osten, wohl 90% der Normalsterblichen jede Hoffnung aufgegeben hätten, hier jemals so etwas wie Durchblick zu bekommen. Der Nahe Osten, die islamische Welt wird trotz allen "Medieninteresses" dem schlechten Ruf gerecht, ein unüberblickbares Knäuel von Religions- und Sektenkriegen, Stammeskonflikten oder irrationalen Polithasardeuren zu sein, auch in der Realität genau jenem Gebiet voller einander bekämpfender Stämme ähnlich, das Asterix und Obelix in "Die Odyssee" auf der Suche nach dem schwarzen Gold durchkämmen müssen. Die spinnen, die Assyrer/Iraner/"Muftis" - dass diese volkstümliche und weit verbreitete Erkenntnis als Ultima Ratio der meisten europäischen Nachbarn gilt, lässt nicht auf einen differenzierten politischen und medialen Umgang mit diesem Krisenherd hoffen. weiterlesen
Zugleich deprimiert auch die zu erwartende Folge, dass sowohl "Zeit im Bild" als auch "Kronen Zeitung" keinen Versuch unternehmen, diesen komplizierten Schauplatz der Weltgeschichte zumindest ansatzweise zu erklären. Natürlich werden die jeweils aktuellen Faktenhäppchen präsentiert, am liebsten in Newsflash, dem Informationsplacebo des ORF: "Newsflash! Ausschreitungen gegen Israel im Südlibanon. KHG in den Flitterwoche. Und: Handys werden billiger." Kein Wunder, dass das tausendfach gehörte, aber nie verstandene, weil nie erklärte Endlosthema "Nahostkonflikt" im Allgemeinen nur wenig Interesse auslöst. Man fragt sich, ob, ähnlich wie in den USA, ein Interesse daran herrscht, das Thema auszuklammern oder - ohne die nötigen Hintergrundinformationen - eben als für uns "Europäer" uninteressant, weil allzu orientalisch verwickelt darzustellen. Vielleicht sperrt sich auch nur das Format unserer Berichterstattung dagegen; in knapp vier Minuten Fernsehbericht lässt sich eben gerade einmal eine Liste aktueller, für unsere Ohren allesamt Belustigung auslösender arabischer Namen der jeweiligen Hauptprotagonisten abspulen.
Peter Scholl-Latour, der große alte Knacker des deutschen Politjournalismus (im Satiremagazin "Titanic" frech aber liebevoll als "Räuber Hotzenplotz der Schützengräben" bezeichnet), geboren 1924, wird häufig vorgeworfen, er sei ein Pessimist, der mit romantisch-düsterer Warnerpose zugleich seine Reportagen im Stile Karl Mays verfasse. Wahr ist, dass das Erzähltalent des Journalisten den Leser fesselt. Selten habe ich ein Buch von über 270 Seiten innerhalb so kurzer Zeit verschlungen, denn Scholl-Latour beschreibt nicht nur in einer "Tour d'Horizon" die geschichtliche Ausgangssituation, sondern berichtet im Hauptteil des Buches von seiner Reise durch Afghanistan, den Iran, den besetzten Irak und in den Libanon im Jahr 2003. Dabei kommt ihm zugute, dass er als anerkannte journalistische Autorität Gespräche mit allen Seiten führt - mit Paschtunen der Taliban ebenso wie mit iranischen Großayatollahs, irakischen Schiitenführern und amerikanischen, briischen und deutschen Truppen.
Das Bild des Krisenherds, das Scholl-Latour in diesem Buch als gewaltiges Mosaik aus Erinnerungen, Geschichte und Reisebeschreibung entwirft, ist komplex und spannend. Dass man sich als Leser jeden arabischen Namen merkt, wird nicht vorausgesetzt. Als Taschenbuch ist der Band um 10,20€ bei Ullstein erschienen. Wer wie ich den Informationsnotstand bedauert, ist mit diesem hochspannenden, unterhaltsamen und seriösen Buch bestens bedient, auch um aktuelle Ereignisse in anderen Zusammenhängen beurteilen zu können.
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Kommentare
fleißig!
coole sache! sollen wir die kategorie 'fotografie'" etwas unterteilen zB arhitektur – oberflächen – natur - menschen? oder passts noch so?"
kategorien
kategorien sind eine gute idee, auch wie sie jetzt umgesetzt sind. ich bin mir nämlich sicher, dass noch einige fotos folgen werden.
der übersicht zuliebe...danke admin. :p
na schau moriz.. gestern noch darüber gesprochen-heute schon erledigt! weitere unterteilungen werden sich sicher im laufe der zeit ergeben.
Sie wünschen - wir spielen.
wär doch gelacht, wenn wir nicht noch die weltherrschaft an uns reißen würden.