One Missed Call (Chakushin Ari, 2003)

Was würde geschehen, wenn David Lynch, Dario Argento und Tobe Hooper auf LSD in einem japanischen Stehbeisl in Osaka sich einen Horrorfilm ausdenken würden? Eine gute Frage. Aber eins ist klar: So durchgeknallt, radikal und verstörend zu sein wie der japanische Ausnahmeregisseur Takashi Miike ist nicht einfach. "Chakushin Ari" (2003) ist Pop ist Horror ist Wahnsinn ist Pflicht.

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"Freitags, 13. Januar 2006: Ein guter Tag, um einen der besten Horrorfilme der letzten Jahre zu präsentieren. Der "J-Horror" genannte Trend zum japanischen (oder allgemeiner: asiatischen) Horrorfilm ist wohl an keinem spurlos vorübergegangen, vor allem, seit die größte Recyclingmaschine der Welt - Hollywood - sich daran gemacht hat, die amerikanische Augen wohl beleidigenden asiatischen Schauspieler durch bekannte Gesichter zu ersetzen: The Ring" 1 & 2, "The Grudge" (mit Sarah "Weil ich es mir wert bin" "Buffy" Geller) und "Dark Water" waren als amerikanische Remakes der japanischen Originale durchwegs Kassenschlager. Der Fairness halber muss man Hollywood aber zugute halten, das zumindest bei "The Grudge" und "The Ring 2" die japanischen Regisseure der Originale am Werk waren. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung, den tatsächlichen Innovatoren ihr Stück kommerziellen Erfolg zu gönnen, zeichnen sich die genannten amerikanischen J-Horror-Remakes allerdings nicht gerade durch besondere Qualität aus - jeder, der beim Anblick zweier nebeneinander stehender Asiaten nicht sofort jede Gesichtserkennung über Bord wirft, ist besser beraten, sich die Originale anzusehen, vor allem, da gerade im direkten Vergleich Original-Remake die endlos perpetuierten Hollywood-Klischees und -Rezepte doch etwas an den Nerven zerren können

Auch das amerikanische Remake von Takshi Miikes "One Missed Call" steht bevor, doch noch ist Zeit, diese grandiose Restlaufwertung asiatischer Horrorfilmklischees im Original zu würdigen. "One Missed Call" ist nicht nur eine formale und inhaltliche Zusammenfassung der größten Schockerfolge des bisherigen asiatischen Horrorkinos, sondern vor allem ein intelligenter, schockierender, verstörender und höllisch gruseliger Film. Die Handlung ist banal: Wie bei "Ringu" pflanzt sich ein todbringender Fluch über die moderne Technik fort, ein "Anruf in Abwesenheit" am Handy kündet vom eigenen Tod. Doch Takashi Miike wäre nicht Japans berüchtigster Regie-Berserker, wenn da nicht noch allerhand Haarsträubendes dazukäme: von der Sensationsgier der Massenmedien über die soziale Ausgrenzung der Todgeweihten bis zur Psychologievorlesung ist alles vorhanden, und vor allem: "the Horror, the Horror..."

Virtuos führt Miike alle Spielarten des Horrorfilms vor: vom unter die Haut kriechenden Grusel über Ekelsplatterzombies bis zum fast Hitchcockschen Schockmoment reicht die Palette. Fast scheint es, als wollte Miike nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ein Destillat des asiatischen Horrorkinos reichen - trotzdem, schließlich hat man ja einen Ruf als Extrem-Regisseur zu verlieren, schafft der Film die Übersteigerung des ganzen Genres in seiner beinahe schon absurden Konsequenz. Hier ist alles NOCH heftiger, NOCH gewalttätiger, NOCH verwirrender und alptraumhafter. Recht so! "Chakushin Ari" ist für mich beinahe der perfekte Horrorfilm - trotz mancher Schwächen, trotz (oder wegen) des NICHT alle Fäden verknüpfenden Schlusses, trotz seiner inhaltlichen Epigonalität.

5/5