Ars Electronica 2007

Auch heuer hat es mich wieder nach Linz zur Ars Electronica verschlagen. Wie es sich bereits in den letzten beiden Jahren herauskristallisiert hat, waren die interessantesten Dinge in der Kunstuniversität bzw. im OK Centrum zu sehen. Aber alles der Reihe nach:

Die wie immer bei freiem Eintritt zu besuchende Eröffnungsveranstaltung "more than memories" am 06.09.2007, die bei Dauerregen im Botanischen Garten und im Aktienkeller stattfand - zwei Orte, die zur Zeit des NS-Regimes als Nebenlager Linz II zum KZ Mauthausen geführt wurden - beschäftigte sich mit dem Grundrecht der Freiheit der Kunst im digitalen Zeitalter. Im Botanischen Garten glich die Szenerie der herannahenden Apokalypse. Für zusätzliche Gänsehaut sorgte der Vortrag von scheinbar planlos umherstehenden Menschen aus Werken, die im Zuge der von der deutschen Studentenschaft im Jahre 1933 organisierten Bücherverbrennungen vernichtet wurden, da sie dem deutschen Geiste nicht entsprachen.
Leider habe ich es heuer - aufgrund von vergriffenen Tickets - bereits zum 2. Mal nicht geschafft mir Kurt Hentschlägers FEED-Performance im Aktienkeller zu Gemüte zu führen.

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Nach anfänglichen Projektionen von menschen-ähnlichen 3D-Figuren, tauchen die Betrachter im 2. Teil dieser Performance - hervorgerufen durch dichten Nebel und stroboskopisches Licht - selbst in die Schwerelosigkeit ein und verlieren jegliche räumliche Orientierung bzw. vertraute Wahrnehmung. Ein Besucher berichtete mir davon, dass er das Gefühl gehabt hätte, die Realität seines Lebens spielte sich plötzlich 2 cm vor seinen Augen ab und es sei ihm unmöglich gewesen in diesem Moment andere Blickweisen zuzulassen.

Eine wahrhaft absurde Maschine des belgischen Künstlers Wim Delvoye hat heuer im Rahmen des Prix CyberArts 2007 die neu-geschaffene Auszeichnung "Award Of Distinction Hybrid Art" gewonnen: die Personal Cloaca, eine Waschmaschine, die durch bestimmte bio-chemische Mischungen das bakterielle Mikroklima verschiedener Stadien des Verdauungsprozesses nachbildet. Irgendwie wirkte die ausgestellte Bauknecht-Maschine wie ein Gott, dem man Nahrung hinstellt, um in gnädig zu stimmen. Warum Herr Delvoye allerdings seit einem Jahrzehnt mit grosser Hingabe an der Herstellung von Scheisse arbeitet, bleibt mir ein Rätsel. Wie uns der grossartige Weblog we make money not art verrät, arbeitet Herr Delvoye im Moment gerade daran mit seinem cloaca-business in den USA Fuss zu fassen um den Steuerabgaben in seinem Heimatland Belgien zu entgehen. Wie das funktionieren soll? Wenn das Projekt als Kirche angesehen wird, erhält es eine komplette Steuerbefreiung. 2 Rechtsanwälte versuchen Wege zu finden wie man cloaca darstellen könnte, um es als Kirche zu etablieren.

Yoshimasa Kato und Yuichi Ito erhielten für ihr Projekt White Lives on Speaker eine Honorary Mention Interactive Art. An ein EEG angeschlossen werden die sich stets verändernden Frequenzen der Gehirnströme eines Probanden mittels MAX MSP in Klangparamter übersetzt, die eine aus Wasser und Kartoffelstärke bestehende Flüssigkeit auf einem Lautsprecher in Bewegung versetzt. Der Benutzer sieht welche skulpturalen Veränderungen er durch seine Gehirnwellen hervorruft.

Die Prix Ars Electronica Exhibition - Cyberarts 07, eine Leistungsschau der digitalen Kunst weltweit, ist im Linzer OK-Centrum übrigens noch bis 14.10.2007 zu besuchen. Neben den Siegerprojekten der Kategorie Interactive Art und Hybrid Art werden auch Arbeiten aus den Bereichen Digital Musics und Digital Communities dokumentiert.

Auf der Berliner Universität der Künste beschäftigt sich die Digital Media Class mit sakralem Design. Wer also - wenn er fromm Richtung Kreuz schielt - wissen möchte, wie sich die Börsenkurse jener Unternehmen entwickeln an denen der Vatikan beteiligt ist oder auf das rituelle Räuchern während einer Zugsfahrt (bei der nur der Laptop on-board ist) nicht verzichten möchte : sehet selbst, ihr Ungläubigen!

iRauch (Felix Beck)

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Ticker Cross (Markus Kison)

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Dass Linz auch abseits der Ars Electronica immer einen Besuch wert ist, beweist das abschliessende Foto:

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Kommentare

grenzwissengschafteln

danke für den rückblick, wien ist ja doch nicht immer der nabel der welt, wie's scheint. überlege ernsthaft, mir den iRauch zuzulegen - vielleicht schmeiß ich aber auch nurn bisschen kräuter auf die CPU. :grin
@grenzwissenschaften: findet sich kein esoterikbeobachter (hint: stefaaaan!), der die aktuellen trends der grenzwissenschaften mal kurz referiert? :grin