Neuauflage von Junta
Wer immer schon wissen wollte, wie man sich als Diktator so fühlt, dem kann ich nur die Neuauflage des Spieleklassikers "Junta" empfehlen. Nirgends kann man so schön zynisch intrigieren, putschen und morden...
Es ist ein sonniger Morgen in der Republica los Bananos, El Presidente erwacht mit einem Lächeln. Kein Wunder, befinden sich doch in seinem Kopfkissen mehrere Millionen Entwicklungshilfegelder einer Großmacht, die zum Glück keine Fragen stellt. Heute wird er es auf die Bank bringen, um sein Konto in der Schweiz etwas aufzufetten. Zum Glück kann er ruhigen Herzens hingehen, die Bank hat erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen, nachdem sein glückloser Vorgänger dort letztens im Kugelhagel gestorben ist. Wäre das nicht genug Pech für die Familie des Präsidenten a.d. gewesen, wurden ihnen auch noch die Millionen, die er einzahlen wollte, geraubt. Vor Ekel verzieht El Presidente das Gesicht, als er sich daran erinnert, wie ihm das Geld blutbesudelt übergeben wurde. "Geld gewaschen" hat er schön öfters, aber noch nie im wahrsten Sinn des Wortes. Aber naja, "pecunia non olet", und außerdem kräht kein Hahn mehr danach. Die Medien beschäftigen sich nur mehr mit der Verhaftung wegen "Korruption" des Generals der 1. Heeresdivision vor zwei Tagenn und der darauffolgenden Auflösung der Abgeordnetenkammer. "Ich muss meinen Innenminister fragen, ob er schon gestanden hat.", denkt der Präsident gerade, als sein Adjutant hereinstürmt. "Das Militär hat die Polizeiwachen umstellt und die Luftwaffe bombadiert die Kaseren unserer treuen 2. Division!!!" Seufzend erhebt sich El Presidente, blickt nochmals auf seine junge Geliebte, und zieht seine Uniform an. Schon wieder ein Putschversuch. Aber wer, wenn nicht er, könnte mit sowas umgehen. Immerhin hat er ja Erfahrung als Putschführer...
Ein ganz normaler Tag für den Präsidenten der Republica los Bananos, den man im Brettspiel "Junta" nachspielen kann. Erschienen ist Junta erstmals in den 80er Jahren und wurde damals von Washington Post und New York Times in den höchsten Tönen gelobt. Und das zurecht, dann ich kenne kein Spiel, durch dessen ausgefeilte Regeln soviel Gruppendynamik entsteht wie in diesem. Ständig muss man sich verbünden, intrigieren, morden und stehlen, um dem Sieg näher zu kommen, keine Koalition hält länger als ein, zwei Runden.
Das Ziel des Spieles ist einfach: Gewonnen hat der, der am Schluß am meisten Entwicklungshilfegelder am Konto hat. Dies zu erreichen gibt es viele Möglichkeiten, aber keine davon kann man wählen, ohne den Neid oder Hass seiner Mitspieler auf sich zu ziehen. Der Zynismus des Spieles ist herrlich: Die Karte "Politische Flüchlinge" zeigt Herren in Reiterhosen, Uniform und mit Reitgerten in der Hand. Wo die wohl herkommen... Die einzige Ereigniskarte, die genau gar nichts bringt trägt die Aufschrift: "Studenten demonstrieren und verteilen Flugzettel".
Ich selbst hatte das Glück die Originalversion vollständig bei Ebay zu ersteigern, allerdings zu einem unverschämten Preis. Das Flehen aller Fans wurde aber erhört, und Junta wird von Pegasus heuer neu aufgelegt.
Ein sehr geniales Spiel für 6-7 Spieler, aber Achtung, Freundschaften werden auf eine harte Probe gestellt, und Beziehungspartnern würde ich überhaupt raten, dieses Spiel nicht miteinander zu spielen. Noch ein Tipp: Vor dem Spiel sollte sich jeder zehnmal vorsagen: "Junta ist nur ein Spiel!" ;)
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Kommentare
Rest. In. Peace.
Jetzt ist's endgültig Zeit, was vom Meister zu lesen.
how nice, not to feel anything and still get full credit for being alive. (zitat K.V.)
ach ja, stammt aus seinem prominentesten werk, dem viel gerühmten slaughterhouse 5. the cat´s cradle ist übrigens auch ein sehr empfehlenswertes werk des "apocalyptic writers".