Pascal Mercier: Nachtzug nach Lissabon. btb: 2006

Unter dem Pseudonym Pascal Mercier erzählt Peter Bieri, ein Philosoph und Schriftsteller, der in Berlin an der Freien Universität Berlin lehrt, die Reise in das Leben von Amadeo de Prado, die den Altphilologen Raimund Gregorius in das Lissabon zu Zeiten des Diktators Salazar führt.

                                        by nele and risa

Gregorius führt ein vorherbestimmtes, eintöniges Leben als beliebter Latein- und Griechischlehrer in Bern, der sein Leben der Sprache verschrieben hat. Ihm ist nicht bewusst, dass es auch noch andere Möglichkeiten gegeben hätte, sein Leben zu leben – bis ihm eines Tages die Begegnung mit einer Portugiesin buchstäblich aus seinem Lehreralltag herausreißt. Aus vielen winzigen Schritten ergibt sich ein großer Schritt und er findet sich wieder im Zug nach Lissabon – im Gepäck hat er ein Buch von Amadeo de Prado, das er in einem Antiquariat in Bern gefunden hat. Er möchte mehr über das Leben dieses Mannes erfahren. Diese Recherche führt ihn zu verschiedenen Plätzen und  Menschen, die Rollen im Leben Prados gespielt haben.

 
Abwechselnd mit den philosophischen Gedanken von Mercier, die sich in Form von Auszügen aus Prados Buch wieder finden und den dadurch aufkommenden Reflexionen des Lebens von Gregorius, ergibt sich der Aufruf der persönlichen Freiheit, die das höchste Gut darstellt – die Möglichkeit, sein Leben verändern zu können:

 
„AMPLIDAO INTERIOR, INNERE WERTE. Wir leben hier und jetzt, alles, was vorher war und an anderen Orten, ist Vergangenheit, zum  größten Teil vergessen und als kleiner Rest noch zugänglich in ungeordneten Splittern der Erinnerung, die in rhapsodischer Zufälligkeit aufleuchten und wieder verlöschen. So sind wir gewohnt, über uns zu denken. Und es ist dieses die natürliche Denkungsart, wenn es die anderen sind, auf den wir den Blick richten.“

 
Die tragende Sprachmelodie erschwert das schnelle sich Einfinden in die Handlung; erst ab Mitte des Romans taucht man in die parallelen Erzählstränge der Leben von Gregorius und Prados ein, und gibt das Buch erst dann wieder aus der Hand, wenn Gregorius die Geheimnisse um Prado gelöst hat, und sich dadurch seine Freiheit und Selbstbestimmung geschenkt hat