Empfehlung: Richard Dawkins, The God Delusion

Richard Dawkins, The God Delusion Wie schon einmal gesagt: Wir leben in Zeiten des Postrationalismus. Gott springt überall aus den Winkeln, als wäre die Aufklärung nur so eine drollige Idee einiger unvernünftiger Franzosen vor 200 Jahren gewesen. Die letzte Supermacht der Welt beruft sich in Form ihres Präsidenten andauernd auf "God" (Interessantes Detail: Die Worte "In God we trust" wurden erst 1954 Bestandteil der amerikanischen Dollarnote, und die Worte "One Nation under God" wurden ebenso erst in den 1950er-Jahren der amerikanischen Verfassung hinzugefügt.). Man schickt die Kleinsten ins Jesus Camp . Gleichzeitig gibt es hierzulande Diskussionen, Gott in die Verfassung aufzunehmen, Rauch-Kallat bedankte sich beim "lieben Gott" für den Wahlsieg 2002 und Kardinal Schönborn darf in der New York Times "Intelligent Design" gut finden .

Und, das macht es noch prekärer, das sind nur einige der Unpackbarkeiten auf westlich-christlicher Seite.  Der Fundamentalismus auf muslimischer Seite ist zweifelsohne ein ernstes, globales Problem, aber, so Richard Dawkins in seinem neuen Buch, auch er ist nur ein zu erwartendes Symptom in einer Welt, in der Religion und somit dem irrationalen Glauben an das Übernatürliche eine derartige privilegierte Sonderstellung zukommt.

Dawkins, der als Evolutionsbiologe seit längerem mit "Kreationisten" und gläubigen Wissenschaftskritikern zu tun hat, bezieht in seinem neuen Buch "The God Delusion" vehement und leidenschaftlich Position für den rationalen Atheismus - und widerlegt mit seinem humorvollen Buch auch ganz nebenbei das gehässige Vorurteil, als atheistischer Materialist würde man ein freudloses Dasein ohne Hoffnung oder Spiritualität führen müssen. Das Buch ist übrigens einem anderen großen Atheisten gewidmet: Douglas Adams . >>>

 Es ist ein zorniges, aber witziges Buch geworden, das die neue Bedeutung der Religion einer schonungslosen Kritik unterzieht. Dawkins will nicht bekehren, aber seine Argumente lassen den klassischen "Argumenten" für einen Glauben an Gott oder an das "Übernatürliche" wenig Spielraum.

Wie seine Kollegen Daniel Dennett und Sam Harris (die mit ihren Büchern die "Science vs. God"-Debatte losgetreten hatten) ist Dawkins mit seiner Publikation ein prominenter Vertreter des aufgeklärten Humanismus im Kampf gegen die neue, alte Wichtigkeit der Religion.

Ein wichtiger Kritikpunkt ist der übermäßige Respekt, der religiösen Gefühlen zugemessen wird. Warum, fragt Dawkins, genießen "religiöse Gefühle" Privilegien, die Diskussionen darüber so heikel oder Verletzungen derselben so schwerwiegend machen? Neben dem Karikaturenstreit führt Dawkins weitere Beispiele an, etwa die "Verletzung" religiöser Gefühle durch Homosexuellenehe oder die Evolutionslehre. Religiös begründete Vorurteile, so Dawkins weiter,werden mit Hinweis auf die Sonderstellung religiöser Gefühle toleriert.

 "The whole point of religous faith is that it does not depend on rational justification. The rest of us are expected to defend our prejudices. But ask a religious person to justify their faith, and you infringe "religious liberty"." 

 Stück für Stück demontiert Dawkins im Verlauf des Buchs die "Beweise"  für die Existenz eines erschaffenden Gottes (Besonders beliebt: Argument #38). Sein Standpunkt ist der des rationalen Wissenschaftlers, doch beweist das Buch auch, dass Atheismus - ein Wort, das in seiner abwertenden Verwendung beinahe ein unreflektiertes Schimpfwort geworden ist - nicht bedeutet, dass Spiritualität, Moral oder Lebensfreude ebenso abwesend sein müssen wie Gott. Er argumentiert für die Freiheit des atheistischen Menschen, der ohne die Illusion einer "höheren Macht" die Welt und sich selbst mit Sinn erfüllt.

Jeder soll glauben, was er oder sie will - solange diese Überzeugungen nicht als allgemeingültige Vorschriften anderen auferlegt werden.  Als Privatphilosophie mag Religion für Einzelne ihre Berechtigung haben; als Instrument zur Definition einer "Wahrheit" und daraus folgend als Legitimation für politisches Handeln ist sie gefährlich und einer aufgeklärten Welt nicht würdig. Religion, so Dawkins polemisch, aber nicht ohne Grund, verschließt die Geister der Menschen, statt sie zu öffnen, begründet seit Jahrhunderten die Unterdrückung der Frauen und dient in der Kindererziehung als normierendes Drohinstrument. Ohne ist man besser dran.

Um Douglas Adams und das Motto des Buchs zu zitieren: "Isn't it enough to see that a garden is beautiful without having to believe that there are fairies at the bottom of it too?"

Empfehlung für alle - nicht nur jene, die dem wachsenden Einfluss der Religion mit Unbehagen gegenüberstehen. Gläubige Menschen mögen die Lektüre des Buches als Test für die Standfestigkeit ihrer Überzeugungen lesen, und auch  Agnostiker sollten nach der Lektüre ihren Standpunkt zumindest überdenken müssen.

Kommentare

Simpsons: Flanders

[URL=http://r82giousfreaks.com/UserFiles/Media/simpsons.creationism.mov]Ned Flanders schafft's sicher in den Himmel.[/URL]

will denn keiner ....

... tamtam-hörbücher erstellen ;) ...

also ein 'wir' haben 'soundmenschen' und leser onboard ;) - wär doch toll ...
zum beispiel für sehschwache menschen :roll :roll - und der ipod beschert dann das buch direkt - so 'book plugged at brain'...

nun is halt nur so eine idee.....

durchschaut

haha, sehschwache menschen - meinst eher lesefaule menschen ;-)
nenee, selber lesen schadet nix!

werbung auf derstandard - für Gott

kein schmäh: ein klick auf eine anzeige auf derstandard.at verspricht: Gott persönlich kennen lernen. Erfahren Sie, wie Gott verändert! der Link führt zu [URL=http://www.gottkennen.com/]Gott kennen.[/URL] Hab ich schon erwähnt, dass ich es mehr als bedenklich finde, was gerade hier und überall passiert?

"Die R82giosität führt sich biologisch auf die langanhaltende Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit des kleinen Menschenkindes zurück, welches, wenn es später seine wirkliche Verlassenheit und Schwäche gegen die großen Mächte des Lebens erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet und deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der infantilen Schutzmächte zu verleugnen versucht."(Sigmund Freud)

ok

der link ist ja lächerlich. aber so wie freud, die r82giösität rein biologisch (zitat oben) zu erklären versucht, geht halt auch nicht. und ja, menschen fangen meistens zu glauben an, wenn es ihnen schlecht geht. es gibt aber auch menschen, die die eigene r82giösität oder spirit oder wie auch immer, in sich selber haben. r82giösität in dem sinne von: "ich will gott, ich will poesie, ich will gefahren, ich will freiheit, ich will tugend, ich will die sünde" (a. huxley)
r82giösität=lebenskunst.so. diese definition der r82giösität findet man allerdings heutzutage nur mehr selten.

ich werd eher r82giös (tendenziell),

wenn mir's gut geht.

zb: gottseidank hat die gehrer heute abgedankt.

darauf geb' ich mit GOTtes wille ein paar präambeln aus...

r82giosität vs. r82gion

"Wenn du Buddha triffst, schlag ihn tot", lautet ein altes Zen-Sprichwort. Ich stimme zu, wenn du schreibst, es gibt "menschen, die die eigene r82giösität oder spirit oder wie auch immer, in sich selber haben". Ich glaube, es gibt NUR solche - außerhalb der Menschen ist kein Gott zu finden. Alle Gottheiten befinden sich NUR in uns und sind rein subjektive Phänomene, die uns - je nach Art der Gottheit, die wir uns im Kopf bauen - zu mehr oder weniger "Lebensfreude" führen können. Deine Definition ist recht heidnisch und, wie ich vermute, pantheistisch: das Göttliche ist überall. "Pantheism is atheism sexed up", wie Dawkins schreibt.
Deine Verteidigung der "R82giosität" (ich meine, dass vielleicht das Wort Spiritualitä besser wäre, weil es eher die individualistische Note unterstreicht, die weniger Organisation in der Gesellschaft braucht als "R82giosität") geht davon aus, dass Atheismus eine Einschränkung oder eine Art von Mangel darstellt - ein Verweigern eines wichtigen Teils des geistigen Lebens. Meiner Meinung nach ist dieser Teil unseres Wesens (oder unserer Wahrnehmung der Welt) allerdings so selbstverständlich präsent und Tatsache, dass ein Glaube an etwas Übernatürliches (im Sinne von: magisch, die Natur übersteigend, göttlich) diese Erfahrung eher sogar kleiner macht.

Jetzt lass ichs wieder, sonst schickt man mich noc ins Priesterseminar. Und die hätten keine Freude mit mir.

@stefan: dachte, du bist agnosiker? kaum dankt die gehrer ab, glaubst doch wieder an gott? ok - das argument ist irgendwie eh stichhaltig :grin

Interview mit Richard Dawkins, salon.com

[URL=http://www.salon.com/books/int/2006/10/13/dawkins/index.html]hier[/URL]

"God Delusion" - Video auf Google-Vide

endlich fällt das lästige lesen weg: auf google video gibts eine 90-minütige doku zu Dawkins' letztem buch. catch 17s wünsche werden fast erhört!
[URL=http://video.google.com/videoplay?docid=-6169720917221820689&sourceid=docidfeed&hl=en]Teil 1[/URL]
[URL=http://video.google.com/videoplay?docid=-6169720917221820689&sourceid=docidfeed&hl=en]Teil 2[/URL]

endlich - keine bücher mehr!

sehr schön, werd ich mir bei nächster gelegenheit reinziehen!
übrigens hab ich grad nochmal den artikel überflogen, und beim buchtitel "science vs god" ist mir ein psytrance-track (klar, was sonst??) von xerox feat. astrix eingefallen: "science is god"! na? [URL=http://www.psyshop.com/shop/CDs/hom/hom1cd026.html]hier[/URL]

1=2?

teil 1 und teil 2 sind genau die gleichen, auch der link ist ident.... :? :? :?

schade, hab mich auf weitere 45 minuten gefreut

update dawkins

hab den 2. teil gefunden, nennt sich [URL=http://video.google.com/videoplay?docid=-5752208690443739173&q=dawkins+virus+faith&hl=en]the virus of faith[/URL]

vertrottelt

sorry, zweimal denselben gepostet.

Das Hörbuch...

...gibt es für Lesefaule [URL=http://richarddawkins.net/home]hier![/URL]