Reality Cracking: Geld, mal wieder

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Leseempfehlung: Die KRISE (man muss sie in Caps schreiben, anders gehts nicht) hat auch ihr Gutes: Mehr und mehr beginnt man sich die Frage zu stellen, ob die Malaise überhaupt mit noch mehr vom selben überhaupt kuriert werden kann oder ob nicht doch eher ein grundsätzliches Umdenken angebracht wäre. Besonders die deutschen Qualitätsmedien Zeit und FAZ zeigen sich zunehmend systemkritisch und stellen die Fragen, für die vor lauter Systemrettungspanik andernorts zu wenig Zeit übrigbleibt: Bringt's das? Wem nutzt das? Und vor allem: Ist ein System, das auf permanentem Wachstum beruht, nicht ohnedies früher oder später zum Kollabieren verurteilt?

In der Zeit stellt Wolfgang Uchatius die These auf, dass sich der Kapitalismus in der Reichtumsfalle befindet: Wir haben so lange alles gekauft, dass jetzt jeder weitere Konsum, der fürs Wachstum unerlässlich ist, irgendwie sinnlos erscheint und deshalb stagniert. Quote:

Finanzen, Banken, Schulden. Das Problem ist das fehlende Wachstum.

Alle politischen Maßnahmen, die in den drei Jahren der Krise ergriffen wurden, zielten darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu erhöhen, die Maschine wieder zum Laufen zu bringen, auch daran erkennt man die wahre Natur dieser Krise. Die deutsche, die amerikanische, die japanische Regierung senkten Steuern, zahlten Zuschüsse, schrieben Abwrackprämien aus. Immer ging es darum, die Leute in die Geschäfte zu bringen.

In der FAZ finden sich in der Rezension zu einem neuen Werk des Anthropologen David Graeber mit dem simplen Titel "Debt. The Last 5000 Years". Quote:

Graebers Text ist eine Offenbarung, weil er es schafft, dass man endlich nicht mehr gezwungen ist, im System der scheinbar ökonomischen Rationalität auf das System selber zu reagieren. Diese Tautologie hat in den letzten Monaten im Zentrum eines funktionsunfähigen Systems dazu geführt, dass praktisch alle Experten einander widersprechen und jeder dem anderen vorwirft, die Krise nicht zu verstehen. Diese enorme Entmündigung hat nichts mehr mit Rationalität, sondern mehr mit Intuition, nichts mehr mit Wissenschaft, sondern mit Theologie zu tun.

Graeber betrachtet Schuldsysteme seit der frühen Antike und kommt zum interessanten Schluss, dass das jetzige System, in dem die sich anhäufenden Schulden jeden zu einem Leben in Lohnarbeit über die eigene Versorgung hinaus zwingen, eigentlich Sklaverei ist - im klassischen, antiken Sinn. Hier übrigens ein englisches Interview mit Graeber, in dem er Folgendes äußert:

When thousands of people begin assembling in squares in Greece and Spain calling for real democracy what they are effectively saying is: “Look, in 2008 you let the cat out of the bag. If money really is just a social construct now, a promise, a set of IOUs and even trillions of debts can be made to vanish if sufficiently powerful players demand it, then, if democracy is to mean anything, it means that everyone gets to weigh in on the process of how these promises are made and renegotiated.” I find this extraordinarily hopeful.

Was auch immer passiert: So wirds wohl nicht weitergehen. Und das ist keine schlechte Nachricht.

Kommentare

und weiter geht s in der

und weiter geht s in der KRISE (UAHHH!); hier ein interview mit vandana shiva: http://www.kontext-tv.de/sendung/11072011/indien/vandana-shiva