The Kleptones: 24 hours
Was ärgert die Musikindustrie, verblüfft die Hörer und hört sich frisch an, obwohl's alt ist? Klar: Die Rede ist vom devianten Genre "Mashup" oder "Bastard Pop" . Wie schon einmal anhand Panzah Zandahz' famosen Neuinterpretationen von Radiohead kurz angesprochen, ist Mashup die hohe Kunst, aus zwei oder mehreren alten Songs einen neuen zu basteln; eine Art von Protosampling, also, bei der mit Turntables oder auch mit dem elektronischen Skalpell zB. die Vocals von HipHop-Krachern über Klassiker der Popgeschichte gelegt werden.
2001 brachte es diese (eigentlich bereits viel ältere) kreative Form der Musikliebhaberei in London in diversen Clubs zu größerer Popularität und entwickelte sich zum kreativen Dauerbrenner. Was daran die Musikindustrie ärgert? Einer Industrie, die fetischhaft und paranoid ihr Eigentum mit Zähne, Klauen und Anwälten verteidigt, geht die ihre eigene Fantasie übersteigende Verwendung ihres "Eigentums" natürlich gegen den Strich, doch bisher erfreulicherweise mit wenig Erfolg. Ein netter Nebeneffekt: Im Graubereich des Internet lässt sich die Kreativität noch schwerer bremsen, und zahlreiche Mashup-Alben werden und wurden von ihren Schöpfern gratis zum Download bereit gestellt. weiterlesen
Besonders von den Kleptones. Die fantasievoll benamste Mashup-Guerilla hat auf ihrer Seite mehrere vollständige Alben (!) mit hervorragenden Mashups zum Download, und das neue Doppelalbum, 24hours, ist famoseste und humorigste Unterhaltung überhaupt. Hier wird weniger auf HipHop gesetzt, dafür mashen die Kleptones aber alles, was sonst irgendwie im kollektiven Gedächtnis rumlungert: Pink Floyd, Queen, Nine Inch Nails, The Cure, T-Rex, Massive Attack, George Michael, Genesis, Peter Gabriel, Frankie goes to Hollywood, Goldfrapp, Marilyn Manson, Daft Punk, Deep Purple und zahllose andere, die ich nicht beim ersten Hören namentlich erkannt, aber wohl schon mal gehört habe.
Was sich grade ganz fuchtbar nach früher Demenz a la "Wickie, Slime und Paiper" angehört hat, offenbart sich als höchst amüsante, extrem lustige und vor allem nie gehörte, frische Reise in die Musik. Wenn etwa die frühen Bon Jovi (ich sag nur: Fransenlederjacke!) mit Wham!s "Careless Whisper" perfekt "Dead or Alive" trällern, eröffnen sich neue Deutungshorizonte (schwule Cowboys sind ja eh grade in!). Kurzum: Gerade wenn man, wie jeder Ö3-Geschädigte, nie, nie, nie, nie, nie, nie, NIE wieder die größten Hits der Achtziger und Neunziger hören wollte, sollte man den Experimenten der Kleptones sein Ohr leihen. Musik, die durch die Radiohölle vernichtet wurde, kommt plötzlich frisch und funkelnagelneu daher.
Ähnliches glt auch für ein weiteres Album: "A Night at the HipHopera" widmet sich - erraten - der Wiederbelebung von Queen. Wenn da nicht Jugenderinnerungen wach werden!
Fazit: Vorurteile beiseite legen! Hier passiert Musik. Die bastardisierten Künstler sollten sich bedanken. So frisch und humorvoll klang Pop selten, seit er ein Milliardengeschäft ist.
HIER ausgewählte Hörproben von 24 hours (mit NIN-Schwerpunkt ;-) und, jaaaaaa, Bon Jovi - speziell für dich. You know who you are. ) Als letzter Track: Das wundervolle "Revolverlution" vom Album "From Detroit to JA".
Das Album zum Download auf der Seite oder als ein File per BitTorrent (Wer nicht weiß, was BitTorrent ist: Keine Angst! hier Info , hier Client .)
(Anm.: 24 hours ist ein durchgehendes Set, d.h. die einzelnen Nummern fügen sich zu einem großen Ganzen; wie bei jedem Konzeptalbum sollte man sich also das Ding am besten am Stück anhören.)
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Kommentare
Mashup als Politikum
Unbedingt zu nennen sind die Mashup-Aktivisten von [URL=http://negativland.com/]Negativland[/URL], die schon [URL=http://en.wikipedia.org/wiki/Negativland]massive Probleme[/URL] mit U2 hatten. Sehenswert: das Video "The Mashing of the Christ". Frage dazu: "Is Christianity still stupid? Is Communism still good?"
Weiters: [URL=http://www.beatallica.com/]Beatallica[/URL] zeigen, dass Mashup auch ohne Turntables geht. Sie spielen Beatles-Songs im Metallica-Sound und hatten auch [URL=http://de.wikipedia.org/wiki/Beatallica]Beef[/URL] mit Sony, der jedoch mit Hilfe von Lars Ulrich von Metallica beigelegt werden konnte - der Herr versucht wohl, das Image der Band zu korrigieren, nachdem diese sich im Jahr 2000 gegen Napster-User [URL=http://www.heise.de/newsticker/meldung/9449]richtig arschig[/URL] verhalten hatte.
Michael Jackson nackt!
... ebenfalls in diesem Kontext: [URL=http://www.plunderphonics.com/xhtml/xnotes.html#plunderphonic]Plunderphonic[/URL] Mashups mit coolem Cover, sowie ein Wahnsinnsteil hier: [URL=http://www.ezsite.bz/mashup/artistsongs/Beatles%20Mash%2Dup%20Medley%20%2D%20Hank%20Handy%2Emp3]40 Beatles-Songs in einem Mashup.[/URL] Erwähnt wurde schon mal DJ Danger Mouse, [URL=http://www.illegal-art.org/audio/grey.html]The Grey Album,[/URL] bestehend aus White Album der Beatles und Black Album von Jay Z. Hinweis: [URL=http://www.bittorrent.com/]Bittorrent[/URL] (Peer-to-Peer der letzten Generation) ist diesbezüglich Pflicht, da so die bösen Anwälte der Plattenindustrie keine Server verklagen können. tamtami [B]ds greco[/B] hat übrigens selbst einige Mashups in petto; coming soon!
Nochmal ich.
Wie ich gerade dem Online-Spiegel entnehme, schickt sich Danger Mouse (wohl der bekannteste Masher überhaupt) mit seinem Projekt [URL=http://www.gnarlsbarkley.com/]Gnarls Barkley[/URL] an, mit der ersten IM PLATTENLADEN (noch) NICHT ERHÄLTLICHEN Single die Spitze der UK-Charts zu erobern.
Weiters ist DM Mitglied der virtuellen Band [URL=http://www.gorillaz.com]Gorillaz[/URL], die wir alle kennen (und lieben?!).
Frei erhältliche Chartbreaker, Bands ohne Frontmänner: ist das die Zukunft? Plattenfirmen: sehet hin und lernet.
Danger Mouse im Standard
[URL=http://derstandard.at/?id=2396569]Gnarls Barkley aka Danger Mouse[/URL] Auch der Standard hechelt dem Spiegel hinterher. Der Song ist ja ganz geil (kann auf der Homepage angehört werden), aber den Hype versteh ich nicht. Briten.