Reality Cracking: Werbung II
Anscheinend hat's mir Joghurt-Werbung angetan. Oder ist es tatsächlich so, wie Frederic Beigbeder in "39,90" ausführt, dass vor allem die Firmenkunden und Auftraggeber in der Lebensmittel- und speziell in der Molkereiprodukteindustrie ihre Kunden für debile Volldeppen halten, die nur mit den dümmsten Werbespots zu angeln sind?
Aktueller Anlass: Topfencreme-Werbung. Pärchen in Bibliothek, schlüpfrige Atmosphäre, heimliches Treffen zwischen Regalen. "Hast du's mit?" Ohlala. Und dann: Ein Klassiker der Pornografie, im topfigen Gewand, ein augenzwinkerndes Scherzerl der "Kreativen" aus der Werbebranche (hoppla, ihr habt schon wieder Nasenbluten, Jungs!), das eh keiner aus der angepeilten Zielgruppe versteht: Kaum penetriert der Löffel mit Topfencreme den Mund der übrigens recht anachronistisch (70er?) gestylten Heldin, geht ihr voll einer ab. Ladies and Gentlemen: der berühmteste Porno der Welt, "Deep Throat" (1972).
UPDATE: Hier hab ich ja interessante Infos über dieses Machwerk gefunden. Schöpfer ist demnach Herr Thomas Kratky, dessen Bruder Robert ja ebenfalls zufällig in Joghurt-Werbungen auftaucht. Merke: Menschen, die im Radio mit ihrer Stimme bekannt werden, sollten vielleicht beim Hörfunk bleiben. Bemerkenswert außerdem, dass es ganze DREI "Kreative" gebraucht hat, um dieses Schmuckstück zu texten! Respect.
Dass dabei in der Werbung unlustig mit der fast mythisch dargestellten Suche nach dem weiblichen Orgasmus und der verschwitzten "Entdeckung" des G-Punkts gespielt wird, ist wohl der erste Teil der genialen Werbeidee. Dass das derart (mit Topfencreme!) befriedigte Weibchen dazu einerseits erstmal natürlich ein Männchen braucht, das "es" ihr besorgt, ist schon altherrenwitzig genug; dass andererseits auf diese "Entdeckung" der weiblichen Lust (am Topfen) gleich die Unersättlichkeit folgt ("Eine Packung wird nicht genug sein!!!"), ist ein weiteres ebenfalls eher ödes Versatzstückchen aus der Bubendusche.
Für jene, die keine Allgemeinbildung besitzen: In "Deep Throat", der vor kurzem in der Dokumentation "Inside Deep Throat" (2005) quasi zum Kulturgut geadelt wurde, geht's um Linda Lovelace, die dummerweise ihre Klitoris im Hals hat. Was kann man da wohl dagegen machen? Unser Tipp: Topfencreme wird's wohl nicht sein.
Das war sicher ein Spaß, liebe "Kreative", den Kunden - zuerst den Topfencreme-Herstellern Danone (AGAIN !!) und dann den T-Punkt-geilen Kunden - dieses "subversive" Konzept anzudrehen. Allerdings kann's auch sein, dass die Kunden, falls sie doch nicht sooo doof sind, wie sie immer verkauft werden, irgendwann mit Befremden und Produktverzicht reagieren. Und nein, um das nicht lustig zu finden, muss man kein verbohrter, konservativer Antihedonist oder eine lesbische Emanze sein. Da reicht auch schon die Unlust, ALLES via Sex angedreht zu bekommen - buchstäblich jeden Topfen.
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Kommentare
Wollte auch gerade einen Text über diese
schreiben; es ist hier aber schon fast alles schön gesagt. Nur auf die kaum weniger schlimmen Vorgänger sei noch hinzuweisen ("Das ist Thor, wir werden heiraten", "und ich bin auch schon schwanger"). Mal ehrlich, Jungs (oder Mädels?!), die gesamte Werbelkinie klingt so, als ob ein Geriatrieverein nach zuviel "Emmanuelle" ein Kreativseminar besucht hätte.
"Fonds? Fick mich!"
Die klassische Fonds-Werbung war auch so ne sache.
well, die assoziationen, die TOPFENCREME in diesem Zusammenhang weckt, sind auch nicht ohne...
bin ich ein übersensibler feminist?
oder waum regt mich der stumpfsinn sonst so auf?
stumpfsinn regt auf...
... und werbung würgt ;) .... oder wie war das?...
warum feminist? ist alles was sex, bzw dessen überpräsenz, angeht gleich automatisch mit feminismus zu assoziieren? auch männer haben ein recht drauf, vor übersexualisierung in der werbung geschützt zu werden!
feminismus/sexismus/chauvinismus
hast eh recht. am meisten ärgert mich - wie bei vielen anderen werbungen auch - dass man als kunde für doof verkauft wird. deshalb die devise: produkte jener spots, die mich besonders nerven, bewusst NICHT kaufen. abstimmung am kühlregal, quasi. dazu gibt's übrigens einen netten text von umberto eco in den "streichholzbriefchen", das war seine kolumne im Espresso bzw der Zeit. Eco meint, man solle die Firmen durch Kaufboykott dafür bestrafen, dass sie einschaltungen in filmen platzieren. gute idee!
...idiotie und degoutant
...in der werbung sind für mich schon lange grund um gewisse anbieter/produkte bewußt nicht zu kaufen - da s*****s ich auf preis o.ä. 'diese anbieter' möcht ich nicht ebensowenig die mit ihnen und ihren produkten verbundene assoziationen... :x :upset
"abstimmung am kühlregal"
ist wohl die moderne form der demokratie... danke admin für diesen schönen begriff!
danone im visier des werberates
wie das archiv des österreichischen werberates[URL=http://www.werberat.at/suche.asp?id=509&vtyp=ENT&search=danone]Page Title[/URL] zeigt, war und ist danone bereits öfters ins kreuzfeuer der kritik geraten
die antithese:
[URL=http://www.pirellifilm.com/thefilm/viewFilm.jhtml]pirelli - the call[/URL]: es gibt auch noch gute werbespots (naja - spot ist wohl nicht das richtige wort, eher kurzfilm). passt halt leider (optisch, thematisch, und wegen der länge) nicht zwischen zib und barbara karlich show rein...
Werberat-Link zu Danone
Danke, schlo, für den link zum werberat. hier nochmals: [URL=http://www.werberat.at/suche.asp?id=1519&vtyp=BES&search=danone]Werberat- Beschwerdearchiv DANONE[/URL] . Anscheined ist Y&R schon seit längerer Zeit für den Werbeetat von Danone zuständig und überbietet sich auch scheinbar von Mal zu Mal, was die Auslotung der "Grenzen des guten Geschmacks" angeht. An die verhungerten drei 0%-Joghurtskelette erinnere ich mich mit Verstörung.