tamtam gaming: The Sims, Homeless Edition
Es ist wunderbar, wenn man die Hochglanzprodukte der Gamesindustrie ganz anders verwendet, als die Macher es beabsichtigt haben. Ein nettes Beispiel in den letzten Wochen war Fallout 3, in dem es findige Spieler geschafft haben, schon im Prolog des Spiels als einjähriges Baby den sicheren Bunker zu verlassen und dann fröhlich krähend und wankend unter verstrahlten Ratten herumzukrabbeln.
Noch genialer aber ist, was roBurky in den Quartertothree-Foren mit Sims 3 veranstaltet. Wahnsinn! Verfall! Wasted youth! Down and out in the perfect neighbourhood! weiterlesen
The Sims ist ja bekanntlich das meistverkaufte Spiel der Welt, über 100 Millionen Mal hat sich das virtuelle Puppenhaus mit Tamagotchi-Charme bisher verkauft. Version 3, seit kurzem im Handel, bleibt beim Erfolgsrezept: Man erstelle einen netten künstlichen Menschen, beziehe ein Haus in der Vorstadt und arbeite sich dann zwischen 9-to-5-Job, Romanze, Hobbies und Lebenswunscherfüllung bis zum Ende des virtuellen Lebens. Wer nach dieser Beschreibung kopfschüttelnd verweigert, hat den Charme der Little Computer People nie live erlebt, denn der Sog aus Inneneinrichten, Mikromanagement und knuffigen Animationen ist fast unwiderstehlich. Electronic Arts präsentieren den amerikanischen Traum: Alles so hübsch, bunt und sauber hier! Doch es geht auch gegen den Strich.
Anstatt seinen Sim samt Tochter in eines der Vororthäuschen zu setzen, lässt roBurky seinen beiden Sims als Obdachlose mitten in der Stadt leben, auf Parkbänken pennen, ihr Essen zusammenschnorren oder aus Mülltonnen klauen und heimlich bei fremdenFamilien duschen. Es ist dem Spiel als Sandkasten hoch anzurechnen, dass das Ganze funktioniert, mit realistischen Ergebnissen: Depression, Verwahrlosung, schlicht das soziale Elend, das die Macher so garantiert nicht eingebaut sehen wollten. Schade, dass Drogen, Alkohol und Kriminalität nicht möglich sind, sonst wäre der Sozialbaukasten perfekt.
Hier erzählt roBurky die herzerwärmend deprimierende Geschichte seines Sims-Experiments. Wer hätte gedacht, dass die bonbonfarbene Seifenoper mit Feelgood-Garantie derart zur Sozialpornografie taugt? Wer bisher der Meinung war, die Sims wären dazu verdammt, wie die Ratten immer weiter endlos nach Erfolg, Geld und neuen TV-Geräten zu strampeln, hat hier den Gegenbeweis. Hey! Es ist Krise! Da wird man ja wohl auch im Puppenhaus etwas Realismus einkehren lassen dürfen.
Was wir als nächstes gern sehen würden: Als schwuler Innenausstatter in Left4Dead die triste Umgebung neu dekorieren; in Call of Duty per Teamspeak allen laut "Friede! Friede! Habt euch doch alle lieb! Gewalt ist keine Lösung!" zurufen und den Dienst an der Waffe verweigern; und in FIFA in Onlinematches konsequent aufs eigene Tor schießen und dabei den eigenen Tormann krankenhausreif foulen.
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