Andernorts/Empfehlung: Bangkok bei Nacht

bangnoir.jpg Nachdem ja ein Teil der tamtamis in der Ferne weilt - und uns bislang noch nicht mit Bildern derselben erfreut hat -, hier ein bisschen Fernweh aus der Dose: Das Christkind brachte mir den wunderbaren Essay-/Fotoband "Bangkok Noir" , in dem Roger Willemsen gemeinsam mit dem Fotografen Ralf Tooten, der seit Jahren in der thailändischen Metropole lebt, drei Monate lang die Nacht durchstreift hat. Fotos und Text dokumentieren das nächtliche Leben der 4,5-Millionen-Einwohner-Stadt, und dabei führt der Weg den Text von Nachtmärkten in die SLums, zu den Amüsiermeilen und illegalen Glücksspielen, von Nachtarbeit zur Schlafstätte der Großstadtelefanten.

Ein unsentimentaler, aber auch unreißerischer Blick auf jene Stadt, die auch mich letztes Jahr schwer beeindruckt hat - alle Thailand-Touristen, die sofort und möglichst schnell den vom Tourismus unbeeindruckten Wahnsinn der Stadt hinter  sich lassen, versäumen ganz schön viel, wenn sie die touristischen Strände des Südens der heißen, quirlenden und selbstbewussten Großstadt vorziehen.

"DIe Großstadtbauten sind Zugewanderte, gerade Angekommene, staunende Zeugen einer Stadt, die sich von ihrer Gegenwart nicht einschüchtern lässt, die offenbar nichts dagegen hat, so urban wie dörflich zu wirken und in ihren Mischungen alle Haltungenzu provozieren: Abscheu und Verehrung, Herablassung und Bewunderung, Gereiztheit undKontemplation, Rührung und Anbetung. Niemand, der wirklich hier war, ist nicht schon durch all diese Zustände gegangen, und niemanden lässt der Geist des Buddhismus unberührt, der sich überall selbst in den Hochspannungszentren der Metropole durchsetzt und ihr immer wieder etwas Unpraktisches, Wider-Vernünftiges, auch Schwärmerisches gibt."

Beim Weiterlesen konnte ich es mir nicht verkneifen, einige meiner eigenen Bangkok-Bilder auszustellen. Ich will da wieder hin.Und übrigens: Gutes Neues Jahr! Das wars mit 2009. Weiterlesen »

Gehirnfutter, nach all dem Weihnachtstrubel

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 Nach all dem Festessen hier mal Food for Thought! Haltet aus, Synapsen! Und immer brav frische Luft schnappen! Links: Das komplexeste uns bekannteste Objekt im Universum, verbessert durch amphibische Fortbewegung. Jeder hat eins. Das muss man sich nur öfter mal vergegenwärtigen.

Jonathan Lethem, der Herausgeber von Philip K. Dick, macht sich Gedanken über das seltsame Verhältnis zwischen Fiktion und Realität . I knew it! 

Die Zeit über den Zusammenhang zwischen Egoismus und Altruismus  und warum die auf Gier aufbauende Wirtschaftsordnung der letzten Jahre nicht so funktioniert, wie sich die Konzerne das ausgeknobelt haben. Mal lesen und bei Bedarf gegen Zynismus ins Feld führen.

Und zum Abschluss Tiefsinniges zur Welt allgemein: We are not living in a "clockwork" world; we are living on the ever-advancing edge of an exploratory cosmic process. Damit sollte dann wohl auch die letzte Diskussion in der Verwandtschaft zum abrupten Stillstand gebracht werden. Hach, zwei Tage zu spät, ich weiß. Ein bisschen 2009 gibt's noch, dann geht's los mit einem brandneuen, frisch funkelnden neuen Jahr mit Neuwagenduft.

 

tamtamvienna soundgeschenk: XXX-MAS

xxx-mas.jpg Das diesjährige Weihnachts-Soundgeschenk kommt von Ronny Hammond, seines Zeichens Musikchef bei Xenox (dem Musiksystem bei dem ich meine Kröten verdien).
Hier handelt es sich um einen abgefahrenen Weihnachtsmix, fernab von Wham!'s "Last Christmas" und dergleichen.Grad das richtige für einen Christtagnachmittag mit Oma und Tante ;)

Bereits das Cover macht mir Angst: Being John Malkovich meets Windowlicker. Scary, freaky XXX-MAS to everyone!

Anhören oder Downloaden hier (für den XXX-MAS-mix nach unten scrollen, aber auch den Future Disco Mix kann man sich reinziehn).

tamtam gaming: Every day the same dream

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Ein Weihnachtsgeschenk.

Es ist fast poetische Gerechtigkeit, dass mir nach meiner Klage über den Advent ausgerechnet ein Spiel das fröhliche Staunen zurückgibt. Every Day the Same Dream ist im Browser spielbar, bezaubert mit wunderbarem Stil und perfekter Musik und demonstriert in seinen 15 Minuten Spieldauer mehr, als es andere Medien zum Thema je könnten. Fight Club fällt einem ein, American Beauty, aber auch Houellebecq - das Thema ist unsere Gefangenheit in einer Alltagsmaschinerie, oder vielmehr: unsere scheinbare Gefangenheit. 

Every Day the Same Dream kann etwas, was andere Medien nicht können. Man kann nicht zu viel darüber sagen, ohne die Erfahrung zu zerstören. Wer nur das geringste Vertrauen in meine polemische Ansage hat, dass Spiele das künstlerische Medium des 21. Jahrhunderts sein werden, sollte sich 15 Minuten dafür Zeit nehmen. Es lohnt sich. Weiterlesen »

Advents-Klage

bad_santa1.jpgAdvent ist die beschissenste Zeit im Jahr.

Es hätte schon einen Sinn, in der finstersten Jahreszeit ein Fest abzuhalten, das war schon lange vor "X-Mas" eingebürgert. Draußen ist es finster und kalt, Feldarbeit und Jagen ist nicht, man sitzt am Ofen, geht nur raus, wenn's sein muss und hofft dem kommenden Frühjahr entgegen. In früheren Jahrhunderten waren die finstersten Tage des Jahres "tote Tage", an denen man seinen Kalorienverbruach dadurch einschränkte, dass man oft zu mehrt und mit den Haustieren aneinandergekuschelt sich in einer Art Winterschlaf ruhig verhielt.

Was hierzulande heute daraus geworden ist, macht krank und ist für die Spezies Mensch keine artgerechte Haltung. Selbst wenn man nicht dem Geschenkewahn verfällt, treibt das hysterische Arbeitsleben unweigerlich ausgerechnet in diesen Tagen dem hysterischen Höhepunkt entgegen. Die Countdownsituation verschärft sich jedes Jahr, bis man schließlich nur mehr darauf hofft, dass endlich, endlich der 1. Januar kommt, damit der Wahnsinn ein Ende hat.

Die Luft ist raus, der Körper schreit nach Ruhe, doch ausgerechnet zu dieser Zeit geht alles drunter und drüber. Nächstes Jahr ohne mich.

Die gute Nachricht: Es ist fast geschafft. In diesem Sinne: Frohe Festtage, so weit weg von diesem Irrsinn wie in ein paar Tagen ist man dann das ganze Jahr nicht mehr.

tamtam gaming: B-Ball, yo!

Aktion Adventszeitvernichtung, deluxe: Basketball im Browser macht ganz schön süchtig, weil man den Motivationskick des Lernens nie, nie, nie unterschätzen darf. Körbe werfen, minimalistisch inszeniert, nette Physik und die unaufdringliche Option, sich zeitgleich mit echten Gegnern zu messen: So einfach kann's sein. Entwarnung: Irgendwelche Gaming-Skills sind völlig unnötig, einfach die Maus klicken und einen auf Magic Johnson machen.

Wer sich der "Group" von tamtamvienna zum infantilen Highscore-Jagen anschließen mag, hier ist die URL:

http://www.onlinegames.com/basketball/?1w8lygz9z7

21st century masters: agan harahap

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agan harahap's Flickr-Stream bietet einige Überraschungen, darunter auch - siehe Bild - eine Serie von kreativ per Photoshop, ähm, erweiterten historischen Fotos, plus Superhelden . Abseits dieser durch die Blogs gegangenen Mashups, die durchaus Reality Cracking-würdig sind, gibt's aber auch z.B. wunderbare "Safari" -Bilder von diesem kreativen Kopf aus dem fernen Indonesien, der sich seine Brötchen als Fotograf für das indonesische "Trax Magz" verdient - Bilder hier und hier . Globalisierung ole!

reddit für Eilige: TLDR

Wehe dem, der sich die grauenhafte Seuche der Redditits einfängt. Wer bisher meinte, für die teuflisch vielfältige und immer wieder überraschende Link-Aggregatoren-Maschine keine Zeit zu haben, sollte mal einen Blick auf das hier werfen: Das TLDR-Subreddit aggreggiert das Wichtigste jedes Reddit-Tages und stellt nebenbei sowas wie ein Best-of und ein Archiv der Highlights dar. TLDR steht - wie eh allgemein bekannt sein wird - natürlich für "Too Long, Didn't Read".

zB Digest von gestern beim Weiterlesen ...
 SChönen Montag noch! Weiterlesen »

tamtam Sound-/Videogeschenk: Pink Floyd in neuem Glanz


 

Weil der schlo das so bescheiden in den Links versteckt hat, hier nochmal in groß: "Welcome to the Machine" von Pink Floyd dürfte einer der Songs mit den meisten Videobearbeitungen sein. Die hier ist wohl eine der allercoolsten. Merci, schlommo! Wahnsinnssound, psychedelic as fuck.

Da fällt mir glatt ein Buch ein, das wunderbar dazu passt: "For six days he had offered many kilowatts of prayer, but the static kept him from being heard On High ..." Roger Zelazny, "Lord of Light" . Hindu-Futuro-SF aus dem Jahr 1968 - passt zu Sound und Video wie die Faust aufs Auge.

Empfehlung: Gedopte Klassiker

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Es ist eine akademische Verschwörungsposse, die D.C. Hillman an den Beginn seines amüsanten Sachbuchs "The Chemical Muse: Drug Use and the Roots of Western Civilization " stellt: Als er an einerr amerikanischen Uni seine Dissertation in Altertumskunde einreichen wollte, wurde ihm der Doktorgrad erst verliehen, als er einige "anstößige" Artikel daraus entfernte. Der Inhalt der von den akademischen Größen angefeindeten Kapitel findet sich nun in diesem Buch, das sich allerdings weniger an Akademiker als vielmehr an Interessierte jedes Wissensstands richtet.

Was nicht sein durfte, war Hillmans in vielen Beispielen belegte Aussage, dass die großen Zivilisationen der Antike, Griechen und Römer, ein selbstverständliches, um nicht zu sagen hyperentspanntes Verhältnis zu jenen Substanzen pflegten, die heute als Pfuigacks im jahrzehntelangen "War on drugs" mit heiligem Ernst verfolgt werden. Opium, Absinth, Pilze, Hanf sowie mannigfaltige Nachtschattengewächse zählten, den zahlreichen Quellen zufolge, zu alltäglichen Begleitern in Medizin und Alltag, dienten aber auch der Unterhaltung.

Warum uns diese interessanten Lehrinhalte nicht im Lateinunterricht vermittelt wurden, erklärt Hillman auch recht plausibel: Ebenso wie die deftigen pornografischen Stellen der Klassiker  von den gelehrten Übersetzern im 18. und 19. Jahrhundert entschärft wurden, um das hehre Ideal der Antike nicht zu beflecken, haben die puritanischen Übersetzer auch die durchaus häufigen Verweise auf Drogen schamhaft unter den Tisch gekehrt. Bei näherer Überlegung stellen sich somit die bekannten Übersetzungen tatsächlich etwas krause dar: Warum etwa die tapferen Heloten ihren spartanischen Herren ausgerechnet, wie in den gängigen Übersetzungen behauptet, Mohnsamen in die belagerte Festung schmuggeln sollten, statt des zur Wundversorgung viel plausibleren Opiums, ist wohl tatsächlich eher der Prüderie der Übersetzer geschuldet als dem Heißhunger der ollen Griechen auf mohnbestreute Süßspeisen.

Auch für ein bisher eher als Bizarrität angesehenes Werk findet sich so betrachtet ein plausibler Popularitätsgrund: Die weit verbreitete Alexipharmaca des Nikander  erklärte man sich bisher scheuklappig und recht naiv als Anleitung zur Abwehr von Giftanschlägen, doch bei erneuter Betrachtung zeigt sich, dass es sich dabei wohl eher um einen Erste-Hilfe-Leitfaden für Überdosierungen im Alltag gehandelt haben mag.

Alles in allem ist "The Chemical Muse" ein angenehm zu lesendes, amüsantes Sachbuch, das sowohl das Verhältnis der Antike als auch jenes der Gegenwart zur chemischen Welt in ein interessantes neues Licht stellt. Denn Hillman argumentiert auch, dass die Antike nicht trotz, sondern vielmehr wegen ihres intimen Umgangs mit bewusstseinsverändernden Substanzen zur Wiege unserer westlichen Zivilisation werden konnte - auch wenn diese Idee wohl nicht nur unseren Lateinprofessoren wiie Ketzerei erscheinen wird. Und das Cover ist sowieso top. Empfehlung!