Potzblitz, it's 2008 already

 So, nachdem ich euch ja noch ein paar Tage erhalten bleibe, muss ich gleich etwas überschüssige Energie kreativ ablassen. Das profil hat ja eine interessante Titelgeschichte diesmal: Computerspiele machen schlau. Man muss wirklich hierzulande froh sein, wenn die Mainstreammedien sich mal dazu herablassen, nicht nur im Zusammenhang mit Amokläufen, der Verblödung der Jugend oder sonstigem Kulturpessimismus von der führenden Kunstform des 21. Jahrhunderts zu schreiben. Der Verdacht liegt nahe, dass es wirtschaftliche Gründe dafür gibt: Vor dem großen Weihnachtsgeschäft erstrahlt ja auch der Online-Standard in schöner Regelmäßigkeit in den Farben der großen Spielehits des Jahres.

Leider braucht es wohl ausschließlich diesen ökonomischen Anreiz, bis die angegrauten Skeptiker in den Chefredaktionen behirnen, dass Spiele und Gameskultur nicht nur nicht wurscht sind, sondern auch von einem riesigen Anteil der Leserschaft goutiert würden. Der durchschnittliche Spieler, so zitiert profil eine lang bekannte Weisheit, sei mittlerweile 32 Jahre alt, das Vorurteil vom pickeligen, asozialen 14-Jährigen also ein Anachronismus.

Also Sinneswandel in den Journalen? Nur bedingt: Money talks: DIe Gamesindustrie macht inzwischen mehr Umsatz als Hollywood und die Musikindustrie.

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Trotzdem ist das für viele österreichische Medien kein Grund, vom
liebgewonnenen Blick von oben herab abzugehen. Schon anlässlich des
Hypes um GTA IV hab ichs auf TP beklagt, und es gilt hierzulande immer noch:

Aus den dennoch durchaus lobenden Berichten über "GTA IV" auch in sonst
unbeleckten Medien meint man aber dann auch die unentwegte Verblüffung
der meisten Autoren über das ihnen zuvor wohl aus eigener Erfahrung
völlig unbekannt gebliebene Medium lesen zu können – obwohl getrost
davon ausgegangen werden kann, dass auch und besonders hier wohl oft
voneinander abgeschrieben wurde.

Als an Spielkultur
interessierter Gamer – und derer gibt es immerhin eine verblüffend
große, rasant wachsende Zahl – steht man den Versuchen des
Kulturfeuilletons, diese fremde, neue Welt mit dem altbekannten
Handwerkszeug zu erforschen, wohl meist mit einer Mischung aus Stolz,
Rührung und Ärger gegenüber. Hier hilft kein Vergleich mit der gewiss
studierten Filmgeschichte, hier scheitern Interpretationswerkzeuge, die
in Literatur und Theater seit Jahrzehnten Bestand haben – das neue
Medium funktioniert nach eigenen Regeln.

Tja, so ist das mit den "neuen Medien". Wetten, dass wir noch mindestens dreimal Bob Dylan am Cover des Falters haben, bevors da eine sinnvolle Gameskulturberichterstattung gibt? Und das liegt nicht am Personalmangel (okay, in diesem Fall wohl auch), sondern vor allem am Unverständnis - um nicht zu sagen: der Ignoranz - der Verantwortlichen in den Redaktionen, die sich als Kulturbeauftragte sehen und mit der Schnelligkeit der Zeit nur bedingt mithalten können. Liebe berufsjugendliche Feuilletonisten: Eh leiwand, wenn man mit 45 noch salopp über die Probleme bei Kinderaufzucht und Management des ach so urbanen Freundeskreises in der hippen City schreibt. Nur: Die Welt ist halt schon ein bissi weiter.

Wer wissen will, wie Games-Journalismus anno 2008 aussehen sollte, kann sich ja mal am Kiosk die hervorragende GEE leisten. Im Netz sind Eurogamer, Rockpapershotgun oder aber GameSetWatch empfehlenswert. Bis zum New Games Journalism wirds in unseremLand wohl noch dauern; vielleicht gibts ja aber mal überhaupt Journalismus auf diesem Gebiet. Mal sehen.