Neal Stephenson: Cryptonomicon. Goldmann: 2005

Cover Cryptonomicon

Bis zu diesem Buch war Neal Stephenson als SF-Autor bekannt, doch mit "Cryptonomicon" zeigt er, dass er viel mehr kann. Seine Begeisterung für Geschichte, Mathematik und Kryptographie machen diesen Roman für jeden, der sich für diese Themen ebenfalls interessiert zu einer Offenbarung. Aber auch alle anderen erwartet eine vergnügliche und bestens recherchierte Reise in die Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Internet-Blase. >>>

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Wer von einem Roman Linearität erwartet, wird sich mit Cryptonomicon schwer tun. Stephenson erzählt seine Geschichte in drei eigentlich von einander getrennten Handlungssträngen, die vom Europa der Zwischenkriegszeit über den Zweiten Weltkrieg bis in die späten 90er reichen.

Ein Handlungsstrang erzählt die Geschichte von Lawrence Waterhouse, einem Mathematiker, der gemeinsam mit Alan Turing nicht nur den Computer, sondern auch gleich die moderne Kryptoanalyse erfindet. In diesem Teil des Buches zeigt sich die besondere Stärke Stephensons in der genauen Recherche und dem detaillierten Fachwissen zu diesem Thema. Es gelingt ihm aus historischen Fakten und gelungenen Erfindungen eine Erzählung zu schaffen, die dem Leser das Gefühl vermittelt, selbst bei diesen historischen Momenten mit dabei gewesen zu sein.

Der AutorDer zweite Handlungsstrang spielt ebenfalls im Zweiten Weltkrieg und hat als Hauptprotagonisten den Marine Bobby Shaftoe, der nicht nur General Douglas MacArthurs Pazifikkrieg miterlebt, sondern auch in der Krypto-Spezialeinheit von Lawrence Waterhouse dient. Hierbei begegnen sich diese beiden Handlungsstränge.

Der dritte Teil spielt in den späten 90er Jahren, mitten in der Dot-Com-Blase. Randy Waterhouse, der Enkel von Lawrence, baut mit Freunden ein Kommunikationsunternehmen auf den Philippinen auf. Dabei kommen sie auf die Spur eines gigantischen Goldschatzes, den er gemeinsam mit Amy Shaftoe, der Enkelin von Bobby, zu finden versucht.  Dass mit diesem Schatz schon die Großväter zu tun hatten, gibt dem Roman die inhaltliche Klammer zwischen den Handlungssträngen.

Was an diesem Buch anfangs verstörend ist, ist das Fehlen eines echten roten Fadens in der Handlung. So kann zwar der Goldschatz als Ziel aller Bestrebungen angesehen werden, allerdings ist von dem bis zur Hälfte des Buches nicht mal die Rede. Stephenson geht es mehr um das Erzählen als um das Vorantreiben der Handlung. Das Buch ist auch weniger "spannend" in dem Sinn eines Thrillers, sondern eher "interessant" im Sinne eines historischen/wissenschaftlichen Romans.

Abschließend sei noch zu erwähnen, dass quasi als Dreingabe zum Buch ein Verschlüsselungsalgorithmus namens "Solitaire" beschrieben wird, bei dem nichts anderes als ein Satz Spielkarten benötigt wird. Dieser Algorithmus wurde von Bruce Schneier und Ian Goldberg, zwei Kryptologen von Weltruf, entwickelt und ist bisher nicht geknackt. Da der Algorithmus als Inhalt eines Buches nicht den amerikanischen Exportbeschränkungen unterliegt, kann dieses Buch auch als ein Beitrag gegen Big Brother Anwandlungen div. Regierungen gesehen werden.