Stuss für Manager

Als ich kürzlich in einem Buchladen die neue Ausgabe von „Das neue endgültige ultimative Erfolgsprinzip für Manager“, sechste überarbeitete Ausgabe, durchblätterte, näherte sich mir ein gepflegt gekleideter Mann mit einem Lächeln.  Eine wahre Geschichte.

„Das ist mein Buch“, verkündete er beiläufig mit einem breiten Grinsen. Ich verglich ihn kurz mit dem Foto des Autors auf dem Umschlag. „Nein, nein“, versicherte mir mein Gesprächspartner, „ich bin nur der Ghostwriter. Seit zehn Jahren schreibe ich Ratgeber für Manager, die allerdings aus Werbegründen unter zugkräftigeren Namen erscheinen. Das Buch da,“ er zog einen weiteren Band aus dem übervollen Regal, „hab ich letztes Jahr geschrieben.“ Voll Stolz überreichte er mir eine Ausgabe von „Noch mehr Haifischstrategien für Manager“ und zog gleichzeitig ein weiteres Buch, „Ganzheitlicher Geiz. Gnadenlos zur ersten Million“, hervor. „Mein Bestseller vor zwei Jahren war „Stirnrunzeln, aber richtig! Richtige Mimik für Manager“, und natürlich „Besseres Business durch Buddhismus“. Ich war sprachlos. Mein unbekannter Bestsellerautor kam dagegen gerade erst in Schwung. „Vor zehn Jahren habe ich noch klein angefangen. „Erfolg durch schlechte Laune“, das war mein erstes Buch. Inzwischen könnte man mit so allgemeinen Themen keine müde Aushilfsschreibkraft mehr hinter dem Schreibtisch hervorlocken. Der Markt ist ja schon viel spezialisierter geworden. Hier,“ wieder fasste er ins Regal, „das liest man heute: „Rohr Frei! Richtiges Nasenputzen für Führungskräfte“, ein Spitzentitel übrigens. Auch von mir.“ Ich verharrte in ehrfürchtigem Schweigen. Vor mir stand der Mann, der den großen Entscheidungsträgern der Wirtschaft bei ihren bedeutenden täglichen Entscheidungen mit Rat zur Seite stand. „Wenn Sie wüssten, wie wichtig diese meine Ratgeber sind! Vor zwanzig Jahren – es ist unvorstellbar, aber Tatsache, mein Freund – da gab es diese Art von Literatur noch nicht einmal! Stellen Sie sich die Tausenden von ahnungslosen Direktoren, CEOs und Chefs vor, die damals jahrelang vor sich hin arbeiteten, ohne den geringsten Schimmer von den „Drei goldenen Gesetze des Geierns“ oder gar der „Philosophie des Schotters“ zu haben, die zum Beispiel ihr Stirnrunzeln ziellos und unproduktiv einsetzten oder sich geschäftsschädigend ineffektiv die Nase putzten! Die Orientierungslosigkeit muss unvorstellbar gewesen sein, hilflos hinter ihren Schreibtischen schluchzende Chefs, die aggressiven Angestellten und der kriminellen Konkurrenz schutzlos und ohne Rat ausgeliefert waren! Sträflicher Leichtsinn, könnte man sagen, aber so war es! Man hatte ja keine Ahnung von Work-Life-Balance-Selbstcoaching, von hypereffektivem Selbstmanagement, von Iron-Man-Management! Aber,“ dabei wies er mit großer Geste auf die meterlangen, übervollen Regale, „diese düsteren Zeiten sind zum Glück vorbei. Doch es gibt noch viel zu tun. Gerade bin ich dabei, den ultimativen Ratgeber zu schreiben – „Effizient Existieren in der Chefetage. Der 24-Stunden-Manager“. Das wird der Hammer für jeden hilfesuchenden Manager, mein Lieber, an alles ist gedacht. Vom energischen Erwachen übers zielgerichtete Zähneputzen, vom gewinnorientierten Gähnen zum knallharten Kaffeetrinken – und das ist erst Stunde eins von 24! Dann geht’s gnadenlos weiter zum dynamischen Duschen…“ Nervös lächelnd trat ich den vorsichtigen Rückzug an. Mein Gesprächspartner hatte sich so in Fahrt geredet, dass er mein Verschwinden gar nicht bemerkte. Als ich das Geschäft fluchtartig verließ, war er gerade dabei, Stunde zwei des erfolgreichen Managerlebens zu erläutern. Ich glaube, es war irgendwas mit erfolgsorientiertem Einparken.