Business, scharf
Neulich traf ich in einem Café meinen alten Schulfreund Peter; beinahe hätte ich ihn mit seinem nagelneuen italienischen Maßanzug und seiner Designersonnenbrille nicht wiedererkannt.
Erst als ich ihn sprechen hörte – er telefonierte gerade mit einem Handy, das wegen seiner Winzigkeit wohl regelmäßig von Ohrenspezialisten aus den Tiefen der Gehörgänge seiner Benutzer chirurgisch entfernt werden muss – wurde mir klar, dass ich einen alten Klassenkameraden vor mir hatte. Freundlich winkend näherte ich mich ihm, er erkannte mich sofort, schüttelte mir mit einem überraschten freundlichen Lächeln die Hand, gab mir jedoch gestisch zu verstehen, dass er zuvor sein Telefonat beenden müsste.
So stand ich da und wartete, während Peter telefonierte. „Was ist jetzt mit Cross-Selling?“; brüllte er ins Telefon, während er mir freundlich einen Platz anbot. „Haben die die Give-Aways für unser Going-Public noch immer nicht geliefert? In drei Wochen ist Deadline, das ist der Tod für unsere Credibility! Es ist mir wurscht, was das Datamining ergeben hat! Was zählt ist der Return on Investment, meine Liebe! Time-to-Market! Ja, ja, Just-In-Time, ha, das sind doch alles leere Versprechungen! Gut, das Look&Feel ist natürlich auch wichtig, aber hier geht’s um einen Must-Win-Deal!“
Peinlich berührt stellte ich fest, dass sich einige Kaffeehausbesucher wegen der Lautstärke bereits nach meinem Freund Peter umdrehten. Peter zwinkerte mir verschwörerisch zu und brüllte weiter ins Telefon. „Dann müssen wir das Ding eben outsourcen! Im Osten machen die das für Peanuts! Wenn dir ein anderer Workaround einfällt, dann raus damit! Jaja, Streamlining, Streamlining, das ist wohl das Einzige, was dir einfällt! Ich hab’s dir bei der letzten Q-and-A-Session gesagt, und ich sag’s noch mal: Nächste Woche ist schon das Kick-Off-Meeting, dann geht’s an die Cost-Benefit-Analysis und wenn wir den Break-even nicht schaffen…“ Mit offensichtlicher Verzweiflung lauschte Peter seinem Gesprächspartner. „Okay. Na gut. Also, dann machen wir’s eben so wie immer. Na dann, Mutti, bis heute abend.“
Mit einem Seufzen steckte Peter sein Handy ein und begrüßte mich überschwänglich. Wie sich im Gespräch herausstellte, war er, wie er es ausdrückte, vor einiger Zeit ins Management eines On-Spot-Caterers aufgerückt, „ein Local-Player mit High-Potential-Assets“, wie er mir wiederholt erzählte. Was ihm jetzt Sorgen bereite, sei das Supply-Chain-Management, die On-Demand-Verfügbarkeit, die Unique-Selling-Proposition, die Just-In-Time-Lieferung der Produkte und vor allem das Merchandising und Marketing. Erst nach wiederholtem Nachfragen hatte ich die Tragweite seines Dilemmas verstanden.
Denn wie bitte, so fragte mich Peter verzweifelt, soll denn ein Würstelstand heutzutage ohne anständige Werbung, Kundenbindungsprogramme, Benchmarking und vernünftiges Asset-Management aus den roten Zahlen kommen? „Management ist das Wichtigste“, versicherte mir Peter. Zum Abschluss fragte er mich noch, ob ich ihm vielleicht etwas Venture-Capital vorstrecken könnte, um den Kaffee zu bezahlen. Mit einer euphorischen Einladung zum Business-Lunch – Käsekrainer, wenn ich mich recht erinnere – verabschiedeten wir uns. „Business ist ein hartes Geschäft“, sagte Peter zum Abschied. Plötzlich hatte ich Heißhunger auf etwas Vegetarisches.
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