Im Land des gezwungenen Lächelns


Es ist schon ungerecht: Findige Unternehmer öffnen ihr Herz für die benachteiligten Menschen dieser Welt - und schon kommen weltfremde Gutmenschen und sudern alles kaputt. Ein Plädoyer für mehr Verständnis

Wissen S’, was mit diesem Land nicht stimmt? Die Raunzer. Ich sag’s Ihnen, wenn nicht alle die ganze Zeit herumsudern und jammern und raunzen und trenzen und stänkern würden, dann gäb’s kein Problem! Ach, hörn S’ mir doch auf mit doch auf mit der Arbeitslosigkeit! Das ist ja ein typisches Beispiel. Da zerbricht man sich als Arbeitgeber monatelang den Kopf, wie man auch global etwas Gutes tun kann, ja? Da sieht man ja immer im Fernsehen die armen Tschopperln, nicht wahr, da in Kambodscha oder in Afrika, da sitzen’s da vor ihre Lehmlöcher, ganz ausgemergelt, überall alles schwarz vor lauter Fliegen, nicht wahr, mit diesen riesigen Augen und den aufgeschwemmten Baucherln, und da hat’s mich halt heuer bei Licht ins Dunkel so gepackt, dass ich mir ’dacht hab, Hubert, jetzt musst was Gutes tun und was dagegen machen, so geht das nicht.Und was ist passiert?? Da raffst dich auf, fasst dir ein Herz, willst den armen Menschen helfen, willst den noch entwicklungsbedürftigen Ländern der Dritten Welt unter die Arme greifen, nicht wahr – und SOFORT kommen diese linkslinken Suderanten, die eh in ihrem Leben noch keinen Tag, ach was, keine halbe Stund gehackelt haben, schlagen Radau und haben nix im Kopf als dich zu verhindern!!

Also ich sag Ihnen, ich hab mich ja so geärgert. Vor allem: Ich wollt ja nur helfen! Aber nein, da kommt sofort die Journaille, ein paar so rotzpippige kommunistische Langzeitstudenten mit Birkenstockschlapferl im Gefolge, und RUMS! Kriegst eine auf den Deckel! Dabei hätten Sie’s sehen sollen, meine kleinen Kambodschis: Die warn mir so dankbar! Jaha, denen hab ich geholfen, die waren GLÜCKLICH, mein Lieber! Aber in diesem Land wird ja sofort alles verhindert, niedergemäht wird alles, was ein bisserl über das Brettl hinausgeht, was diese gstudierten Gutmenschen als Horizont vorm Hirn picken haben! Ja, eben, vor einem Jahr oder so hab ich mir dacht: Jetzt tust was Gutes. Und dann hab ich mich erkundigt, und dann war da die Wahl zwischen Kambodscha und Sudan, und ich hab mir gedacht, nein danke, weil eines hamma schon genug hier bei uns, und zwar ..? Genau: Sudern! Verstehen S’? Sudern, Sudan …? Na wurscht, jedenfalls hab ich mir dann halt so eine Lieferung Kambodschis bestellt, so fünfzig Stück pro Container, und ich muss sagen, also, meine Hochachtung vor diesem Volk. Die sind ja so freundlich, nicht, immer ein Lächeln. Schon wie ich sie ausgepackt hab, also ich war so überrascht, die haben alle so schüchtern gelacht, naja gut, dreckig warn’s halt schon, aber mein Gott, was willst machen, so drei Wochen im Container, da muss man halt drüber hinwegsehen. Und auch nachher, da warens dann schon gewaschen und so, also eine Würde, die dieses Volk ausstrahlt, unglaublich. Das kannst ja so einem verwöhnten Gfrast aus Österreich nicht einmal erklären, was das ist, Würde! Nämlich eine Würde, mein Lieber, egal wobei! Die haben da die Lackiergruben ausgehoben, in Nullkommanix die Asbestplatten herausgefetzt, wie die Eichkatzerln, nicht wahr, und immer ein Lächeln, immer diese Würde! Die großen Industrieschlammfilter putzen – aber mit einer Würde! Oder im Deponiebereich, wies die Fasseln ausräumen – mit einer Würde und einem Lächeln! Bei uns gibt’s das ja heut gar nimmer.

Und ich hab sie geliebt. Oft und oft bin ich hinunter in den Keller zu den Schlafräumen, net wahr, hab mich erkundigt, ob alles passt, ja, der Herr Weng hat mir geholfen beim Übersetzen und er immer: „Alles sehl gut, alles in Oldnung!“ Und eine Hoffnung haben sie gehabt in den Augerln, es war ein so harmonisches Bild, ich und meine fünfzig Kambodschis … obwohl, ich hab ja immer nur zwanzig auf einmal gesehen, weil wir haben ja da Dreifachschichten gehabt. Und der Herr Weng hat mir erzählt, wie sich alle drauf freuen, was sie mit den einsfuffzig Euro pro Stund in Kambodscha alles kaufen werden, ja, das hört sich net nach viel an, aber rechnen Sie sich’s aus, einsfuffzig mal sechzig, das mal vier, bitte, da kommt ein Monatslohn zusammen, da schlackern dir die Ohren in Kambodscha, da bist ein Prinz! Und jetzt: alles vorbei, ruiniert von diesen nichtsnutzigen Deppen und Radikalverhinderern! Und strafen wollen S’ mich vielleicht auch noch! Was verstehen denn bitte diese realitätsfremden, behüteten Linkslinkskommunisten von der Wirtschaft? Wenn ich halt heut keinen hier find, der sich nicht zu schad ist! Wenn ich halt keinen krieg, der auch meine Seite als Arbeitgeber versteht! Wenn halt heut keiner mehr hier so mitarbeiten will, wie es die Realität verlangt! Ich sag’s Ihnen, die Unsrigen sind sich ja für alles zu gut! Ja, die kennen ja nicht einmal den Wert  von ein Euro fuffzig, aber sich aufpudeln, das können S’! Also ich muss sagen, ich bin SO enttäuscht von diesem Land. Wenn man sich EINMAL aufrafft und was Gutes tun will! Aber die werden sich schon noch anschauen. Immerhin gibt’s ja noch die Naturgesetze der Marktwirtschaft, mein Lieber, und das ist ja das Schöne an Naturgesetzen: Die sind fix! Die kann man durch Sudern, Trenzen, Raunzen, Jammern und Stänkern nicht beeinflussen! Das wär ja noch schöner!