Armbruch
Als sich Stein eines Spätwintermorgens in der Arbeit bei einem spektakulären Sturz über die dunkelgrün beteppichte Stiege zwischen dem ersten und dem darüberliegenden Halbstock des Finanzamts den Arm brach, war sein weiteres Schicksal eigentlich so gut wie besiegelt.
In diesem einem Moment, in dem die Macht einer mit majestätischer wahnsinnsgeschwindigkeit rotierenden Erde und ihrer allgegenwärtigen Gravitation seinen Körper mit ungestümer Liebe näher zu ihrem Zentrum heranzog, verdichteten sich einige unklare Halbgedanken, vorgedachte Hypothesen und dunkle Ahnungen in Steins Kopf zu einer unverrückbaren Wahrheit voll ruhiger Gewissheit.
Und während der Zehntelsekunden, in denen Stein, in Zeitlupe mit dem Armen um das kostbare Gleichgewicht rudernd, unaufhaltsam und wie magnetisch in Richtung der ebenso dunkelgrün beteppichten Wandkante schlingerte, offenbarte sich jenem Teil seines Geistes, der nicht instinktiv und reflexartig von der Plötzlichkeit der Gefahr und des Falls wie gelähmt war und nutzlos "Scheißescheißescheiße" stammelte, eine Gewissheit majestätischer Größe, die sein ganzes Ich mit plötzlicher Freude und Erleichterung überschwemmte, endlich alle Teile jenes unverschämt großen Puzzles zumindest flüchtig gesehen zu haben.
In verzückter Erleuchtung kontemplierte Stein während der knappen Sekunde seines Falls die unweigerliche Logik und Schönheit des Ganzen, die sich ihm just in diesem Moment seines Stolperns und Fallens mit ganzer Macht enthüllt hatte. Dann traf sein Körper mit nicht unbeträchtlicher Beschleunigung und einem unwahrscheinlich lauten Geräusch an der Wandkante auf, die die Treppe in den ersten Stock der Buchhaltung führte, indem sie im exakten Winkel von 90 Grad in 10 weiteren Teppichstufen den weiteren Weg nach unten, näher ans Zentrum jener gravitatischen Macht, dem Erdzentrum, hinabführte.
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