Wenders Welt 01
Grau umfing Stein, endloses Grau, in träger, langsamer Bewegung. Grau, dachte Stein, und erschrak fast vor seinem plötzlich wieder einsetzenden Denken, Grau und Gräuel, das paßt zusammen. Mit diesem eigentlich unspektakulären Gedanken begann Stein, wie er sich später erinnern würde, seinen Aufstieg aus dem Koma zurück in die Welt. Das Grau, so räsonierte Steins frisch gestarteter Intellekt weiter, hatte etwas Unwirkliches an sich. Wie Nebelschwaden, nur war dieses Grau so dick, dass man keine Chance gehabt hätte, die Hand vor Augen zu sehen. Wie um sich seine These zu bestätigen versuchte Stein, seine Hand vor Augen auf und ab zu bewegen. Nichts zu sehen, dachte es in Stein weiter, und, eine halbe Schrecksekunde später: hatte er überhaupt seine Hand bewegt? Tatsächlich gelang es ihm nicht, sich seiner Hand zu vergewissern, ja, Stein schien in diesem grauenhaften Grau tatsächlich völlig körperlos zu sein. Die Panik, die einem in solchen Momenten die Kehle zuzuschnüren pflegt, fand in Ermangelung eines Körpers keine Angriffsfläche und verzog sich schmollend als kleiner, unangenehmer Ton in den Hintergrund von Steins Denken zurück.
Wunderbar, dachte Stein, eher verärgert als schockiert, ganz toll, ich denke, also bin ich, aber so richtig abendfüllend ist das nicht hier, muß ich sagen. Grau wohin das Auge blickt (Auge? Ha!, grollte es in Steins Gedanken), und nichts zu tun als sich in den eigenen Gedanken zu wälzen, Versäumnisse zu bedauern und in Erinnerungen zu schwelgen. Und beim Wort “Erinnerungen” erhob sich letztendlich Steins Denken aus der Anlaufphase und brachte ihm mit Wucht die Ereignisse der letzten zwei Wochen zurück ins Gedächtnis.
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