Zum kommenden Tag der Arbeit
Welche Ausrede zieht immer, selbst wenn der Geburtstag der Mutti oder die eigene Hochzeit am Programm steht? Eh klar: Arbeit geht vor. Immer. Hauptsache, man hat eine anständige Arbeit, weil sonst, so offenbar die Angst der fantasiebeschränkten Arbeitsverehrer, fällt einem nur Blödsinn ein, man sitzt dumm rum, geht allen auf die Nerven und wird halt einfach seines Lebens nicht froh. Schaffe, schaffe, egal, ob man sich dabei Physis und Psyche auf Jahrzehnte unwiderbringlich zerstört: Es muss halt sein, weil, was sonst?
Arbeit macht frei! Was schon im KZ eine unerträglich zynische Lüge war, wird außerhalb dennoch still zur Kenntnis genommen, vielleicht etwas abgewandelt: Wer keine Arbeit hat, ist unfrei. Angeblich. Dass nicht das Fehlen der Arbeit das Problem ist, sondern ganz andere Mängel, wird dabei auch auf den Maiaufmärschen vergessen, wo treuherzig davon die Rede ist, "Arbeit für alle" solle hergestellt werden, jeder habe ein "Recht auf Arbeit", und überhaupt sei "Vollbeschäftigung" das ultimative Ziel. Lieber voll beschäftigt als nüchtern arbeitslos?
Gut, ein wenig kommt der Zeitgeist der überall wachsenden Fustration am Arbeiten doch entgegen. Es ist zwar immer noch höchst unfein, sich über die Arbeit an sich zu beschweren ("Sei froh, dassd a Hockn host!"), aber wenigstens gibts ja jetzt die Work-Life-Balance als anzustrebendes Ziel. Entlarvend, wie hier Arbeit und Leben als Gegensätze dastehen, bildlich in der Balance hängen: Zu viel Arbeit, zu wenig Leben - und umgekehrt? Zu viel Leben, zu wenig Arbeit? Ja bitte, das Zweite, einmal, zum Mitnehmen. In den Park. Oder ans Meer.
Auch im Standard wird Ketzerisches geschrieben, mit Verweis auf Marxens Schwiegersohn Paul Lafargue. Der hat das mit dem Recht auf Arbeit auch eher als Drohung verstanden und 1848 das Recht auf Faulheit proklamiert.
Webtipp aus dem Archiv: The Idler, "a bi-annual, book-shaped magazine that campaigns against the work ethic." Weil wenn in 30 Jahren Roboter die ganze öde Arbeit verrichten und den Wohlstand vermehren und wir dann IMMER NOCH wie die Blöden dem Brotberuf nachrennen, dann ist was falsch rum gelaufen.
Und falls jemand nach Deichkind oben zum Thema noch Dada-Energien in sich verspürt, klickt auf Weiterlesen.
Na mal ehrlich: SO gehts auch nicht. Is ja asozial, echt.
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