EU-Wahlen: Mit Vollgas zurück

Raubmordkopieren ist ein Verbrechen. Geht es nach der Copyright-Industrie, sind alle Mittel legitim, um gegen das schröckliche Internet und die Tausendschaften hundsgemeiner Verbrecher vorzugehen, die das bewährte Vertriebsmodell gefährden, das die moderne Raubritterschaft der Rechteverwerter fett und groß gemacht hat.

Heute wird das EU-Parlament über das EU-Telekompaket abstimmen. Geht es nach dem französischen Präsidenten Sarkozy und seinen mächtigen Sponsoren der Industrie, soll das in Frankreich selbst umstrittene "Three-Strikes"-Gesetz in EU-Recht umgesetzt werden, das als Strafe nach angeblicher Copyrightverletzung den Zugang zum Internet beschränken soll - am besten ganz ohne lästige richterliche Anordnung. Außerdem wird durch das verwirrend formulierte, in bester Beamtensprache verfasste Maßnahmenpaket der Weg frei fürdie Regulierung des gesamten Netzes.

Durch
Beschliessung der Gesetzesentwürfe wäre den
Breitbandanbietern erlaubt, die Zahl der Seiten, die du besuchen
darfst, zu beschränken und dir vorzuschreiben, welche einzelnen
Dienste du nutzen darfst, und welche nicht. Dies würde als „neue
Benutzeroptionen“ verkleidet daher kommen, du „kannst“
dann wählen. Uns würde wie beim Fernsehen eine beschränkte
Anzahl von „Kanälen“ zum Benutzen angeboten.

Das Internet soll
also in Pakete aufgeteilt werden und die Möglichkeit zum
Zugreifen und Hochladen von Internetinhalten empfindlich beschnitten
werden. Es würden Internetpakete geschaffen werden, die
uns weit von unserer heutigen gewohnten Nutzung des Internets
entfernen würden. (link)

Bei den EU-Wahlen am 7. Juni hat man als Bürger die seltene Möglichkeit, seine Interessen und Einwände zu bekunden. Hier lässt sich schön nachvollziehen, wie die österreichischen EU-Parlamentier bisher zu diesen"Reformen" abgestimmt haben. wahlkabine.at bietet den bewährten Überblick.Es besteht wohl tatsächlich die Gefahr, dass europaweit, auch in den einzelnen Staaten, an der EInschränkung und Zensur des freien Netzzugangs gearbeitet wird. Der hysterische und scheinheilige "Kampf" gegen Kinderpornografie und Terrorismus ist der Kampf gegen ein demokratisches Medium, das reale Machtstrukturen in Frage stellt. Alleine deshalb sollte es im Interesse aller sein, am 7. Juni seine Stimme abzugeben.

Alles nur Kosmetik, meint ihr? Wer technikaffin genug ist, wird diese Sperren umgehen können? Verdächtig, verdächtig: Wie wenig sich die Gesetzgeber in der Materie auskennen und wie suspekt der gesetzgebenden Generation das Internet ist, zeigt zB dieses Interview mit der deutschen Familienministerin Ursula van der Leyen, die in Deutschland die sinnlose und populistische Kinderporno-Debatte geführt hat:

"Wir wissen, dass bei den vielen Kunden, die es gibt, rund 80 Prozent
die ganz normalen User des Internets sind. Und jeder, der jetzt zuhört,
kann eigentlich sich selber fragen, wen kenne ich, der Sperren im Internet aktiv umgehen kann. Die müssen schon deutlich versierter sein. Das sind die 20 Prozent. Die sind zum Teil schwer Pädokriminelle. Die bewegen sich in ganz anderen Foren. Die sind versierte Internetnutzer, natürlich auch geschult im Laufe der Jahre in diesem widerwärtigen Geschäft", erklärte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen dem Berliner Radiosender Radio Eins leicht missverständlich.

Mit ähnlichen Argumenten sollte man folgerichtig gegen die Alphabetisierung der Bevölkerung vorgehen - wer nicht lesen und schreiben kann, kann auch keine bösen Kinderpornoadressen im Browser eintippen.

Das Internet ist weder gut noch böse. Es ist eine Infrastruktur, deren Wichtigkeit und Relevanz von den meisten "Volksvertretern" weder erkannt noch verstanden wurde. Dass das ein Generationsproblem ist, ist offensichtlich, aber der Schaden, der aus Wahlkalkül, Überwachungseifer und Profitstreben in Kauf genommen wird, betrifft uns alle. An alle "Volksvertreter" und Industrievertreter, die hier auf Kosten aller nur auf Wählerstimmen und ihr anachronistisches Einkommensmodell schielen: The future doesn't need you.